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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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herauszufinden», sagte Tron. «Vermutlich haben Sie es bereits gestern gewusst.»
    Bossi nickte. «So ist es.»
    «Und würden mich bereits benachrichtigt haben, wenn  sich Zorzi Sonntagnacht im Casino aufgehalten hätte. Folglich ist er nicht im Casino Molin gewesen, und Sie haben den heutigen Tag damit verbracht festzustellen, wo er sich aufgehalten hat. Wie ich Ihrer Miene entnehme, hat sich dabei etwas Interessantes ergeben.»
    «Holenia hatte recht», sagte Bossi.
    «Was heißt das?»
    «Zorzi war am Sonntag in Verona und ist mit dem  Nachtzug zurückgekommen.»
    Die Principessa beugte sich nach vorne. «Sind Sie sicher, ispettore ?»
    «Ich habe einen Zeugen. Einen der vier Gondolieri, die für das Casino Molin arbeiten, hat Zorzi am Sonntagmorgen zum Bahnhof gebracht und ihn nachts wieder abgeholt.»
    «Es könnte eine harmlose Erklärung dafür geben, dass Zorzi den Zug benutzt hat», sagte Tron.
    «Sie meinen, es war Zufall?»
    Tron nickte. «So ungefähr. Haben Sie auch herausfinden können, wo Zorzi in der Nacht zum Freitag gewesen ist, als Ziani ermordet wurde?»
    Bossi schüttelte den Kopf. «Es würde mich aber nicht überraschen, wenn er auch nicht im Casino Molin war.
    Und wenn wir das Halsband bei ihm finden würden.» Bossi dachte einen Moment nach. Dann sagte er in beiläufigem Ton: «Er soll eine Wohnung in der Nähe der Gesuati haben. Ich bezweifle, dass sich das Halsband im Casino Molin befindet.»
    «Bossi, wir wissen noch immer nicht, ob Zorzi überhaupt etwas mit der Sache zu tun hat.»
    «Einen harten Beweis haben wir nicht. Aber wir könnten ihn uns besorgen. Unser kleiner Ausflug auf die Toteninsel war auch nicht legal.»

    «Eine originelle Idee.» Tron musste lachen. «Aber Sie sind nicht der Erste, der darauf gekommen ist. Die Principessa hatte bereits vorgeschlagen, Zorzis Wohnung ein wenig unter die Lupe zu nehmen.»
    Bossi setzte die Kaffeetasse ab. «Worauf warten wir dann noch?»
    «Darauf, was Spaur zu der Angelegenheit sagt. Ich würde vorschlagen, dass Sie einen Bericht schreiben und ich morgen mit ihm spreche.»
    «Wie, denken Sie, wird er entscheiden?»
    «Wir sind bereits so weit gekommen, dass man uns beim Verteilen der Lorbeeren nicht mehr übersehen kann», sagte Tron. «Wenn wir jetzt weitermachen, setzen wir alles aufs Spiel.» Er griff nach der fünften Hasenpfote. «Spaur wird den Fall abgeben.»

37
    Spaurs Gondel bewegte sich langsam den Rio di San Lorenzo hinunter, wich geschickt einem Gemüseboot aus und legte direkt vor der Questura an. Da es regnete, hatte man über den Sitzen die felze aufgeschlagen, und es dauerte eine Weile, bis der Polizeipräsident das kleine schwarze Zelt verließ. Tron vermutete, dass Signorina Violetta ebenfalls in der Gondel saß und sich der Abschied der beiden in die Länge gezogen hatte. Ob sie in Asolo über das Problem gesprochen hatten? Und ob Signorina Violetta Spaur einen Rat erteilt hatte? Würde jetzt eine Soubrette aus dem Malibran über das Leben des Kaisers entscheiden? Das hätte Tron nicht überrascht. Es entsprach seiner Vorstellung vom Gang der Weltgeschichte, dass über die entscheidenden Dinge nicht auf Schlachtfeldern, sondern in Küchen und Schlafzimmern entschieden wurde.
    Tron, der die Ankunft Spaurs vom Fenster seines Büros beobachtete, konnte den Gesichtsausdruck des Polizeipräsidenten nicht erkennen. Aber sein beschwingter Gang zeigte, dass er ein befriedigendes Wochenende verbracht hatte.
    Es war kurz vor zwölf, und Bossis Bericht lag seit zwei Stunden auf Spaurs Schreibtisch. Tron schätzte, dass der Polizeipräsident eine gute halbe Stunde brauchen würde, um ihn durchzulesen. Selbstverständlich hatte Bossi erwähnt, dass Zorzi am Sonntag den Nachtzug von Verona nach Venedig benutzt hatte. Dass es sich dabei um einen reinen Zufall gehandelt haben konnte, stand nicht in dem Bericht, denn das wäre bereits eine Bewertung der Tatsachen gewesen. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass der Bericht nur die nackten Fakten enthalten würde.
    Die Fakten jedoch, das musste Tron zugeben, sprachen nicht unbedingt für Zorzis Unschuld. Aber konnte er sich Zorzi als professionellen Killer vorstellen? Als einen Menschen, der seinen Opfern kaltblütig den Hals umdrehte – so wie die Köchin dem Huhn? Nein, dachte Tron, das konnte er nicht. Allerdings gab es viele Dinge, die er sich nicht vorstellen konnte. Dass Zorzi als Angehöriger der piemontesischen Armee auf der Krim war, hätte er auch nie für möglich

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