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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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gehalten.

    Um eins klopfte sergente Kranzler, Spaurs neuer Adlatus, und teilte ihm mit, dass ihn der Polizeipräsident zu sprechen wünsche. Als Tron Spaurs Büro betrat, bot sich ihm das übliche Bild dar: Spaur saß in entspannter Haltung an sei nem Schreibtisch, verschanzt hinter drei Fotografien Signorina Violettas und einer neuen Großpackung Demel-Konfekt, die er, wie Tron zufällig erfahren hatte, von seinem Spesenkonto bezahlte. Dies alles wurde angereichert durch eine Portion Wochenendgemütlichkeit in Gestalt einer grünlichen Lodenjoppe, die Spaur von seinem Ausflug nach Asolo anbehalten hatte. Den Bericht Bossis, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag, schien er aber gelesen zu haben.
    «Ich gratuliere Ihnen, Commissario.» Die Hand des Polizeipräsidenten, die auf dem Weg zu einem Praliné war, machte einen Schlenker zu Bossis Bericht. «Sie haben gute Arbeit geleistet.»
    Spaur zog ein blauverpacktes Praliné aus der Schachtel und löste das Papier mit Daumen und Zeigefinger. Dann beugte er sich nach vorne, sperrte den Mund auf und ließ das Praliné auf seine Zunge schnappen, indem er das Papier kräftig zusammendrückte.
    «Sie sollten ispettore Bossi gratulieren», sagte Tron. « Er hat herausgefunden, dass Zorzi am Sonntag die Bahn benutzt hat – nicht ich. Und ohne Oberst Holenia wären wir nie darauf gekommen, diese Spur zu verfolgen.»
    «Und nun? Wie soll es Ihrer Ansicht nach weitergehen?»
    «Wir haben die Vorbereitungen zu einem Anschlag entdeckt, von denen das Militär keine Ahnung hat», sagte Tron. «Das ist ein gutes Ergebnis und eine Blamage für Toggenburg. Wir sollten jetzt aussteigen.»
    «Und dieser Zorzi? Sie kennen ihn doch. Was halten Sie von ihm?»
    «Ich glaube nicht, dass er beide Personen getötet hat. Es kann ein Zufall gewesen sein, dass er die Bahn am Sonntag benutzt hat. In diesem Fall würden wir wieder vollständig im Dunkeln tappen. Und der Kaiser trifft morgen in Venedig ein.»
    «Sie trauen den Militärs zu, diese Leute bis morgen unschädlich gemacht zu haben?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Natürlich nicht. Aber Toggenburg könnte das Protokoll des kaiserlichen Besuchs ändern.»
    «Alle öffentlichen Auftritte des Kaisers absagen?»
    «Notfalls.»
    «Darauf wird sich Franz Joseph nicht einlassen. Außerdem bezweifle ich, dass Toggenburg diesen Vorschlag macht.»
    «Warum?»
    «Weil man ihm Unfähigkeit vorwerfen wird. Man wird  ihn fragen, warum wir den Anschlag aufgedeckt haben und nicht seine Leute.» Eine Vorstellung, die Spaur zu gefallen schien. Er lächelte hinterhältig.
    «Und was wäre Toggenburgs Alternative? Für den Fall, dass es der Militärpolizei nicht gelingt, die Attentäter bis morgen Nachmittag aufzuspüren?»
    Spaur zuckte die Achseln. «Russisches Roulette mit dem Leben des Kaisers zu spielen: Toggenburg ändert nichts am Protokoll des Besuchs und hofft, dass alles gutgeht.»
    Tron musste an das denken, was Holenia über das kaiserliche Militär gesagt hatte. «Oder dass der Anschlag auf den Kaiser gelingt.»
    Spaur runzelte die Stirn. «Was soll das heißen?»
    «Oberst Holenia meint, dass gewisse Kreise innerhalb des Militärs ein Attentat begrüßen würden», erklärte Tron.
    «Dann könnten sie endlich hart durchgreifen.»
    «Da hat er vielleicht nicht unrecht.»
    «Abgesehen davon glaube ich, dass weder wir noch das Militär eine Chance haben, die Leute in dieser kurzen Zeit zu schnappen. Und weil das so ist, sollten wir den Schwarzen Peter weiterreichen.»
    Spaur fischte ein weiteres Praliné aus der Demel Schachtel und dachte nach. Dann sagte er: «Nehmen wir einmal an, Ihr Freund Zorzi ist nicht das Unschuldslamm, für das Sie ihn halten. Was würden Sie in diesem Fall tun?»
    «Ihm ein Arrangement vorschlagen. Wir stellen die Ermittlungen gegen ihn ein, und er liefert uns dafür den Sprengstoff», sagte Tron. «Immerhin hat sein Auftrag darin bestanden, einen Anschlag auf den Kaiser zu verhindern.»
    «Aber ohne dabei das Militär und die venezianische Polizei einzuschalten.»
    «Weil man in Turin weder dem Militär noch der venezianischen Polizei über den Weg getraut hat», sagte Tron.
    «Uns wird er vertrauen. Mir jedenfalls.»
    «Was ist mit den Leuten, die noch in den Anschlag verwickelt sind?»
    «Ich wüsste nicht, was wir mit ihnen anfangen sollten», erwiderte Tron. «Wir können sie weder verhaften noch vor Gericht stellen.»
    «Also lassen wir sie entkommen. Und die beiden Toten?
    Werden sie Teil der Geschichte sein, die

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