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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Verbindung zum Dachboden des Palazzo Reale gibt. Sie haben also genug Zeit, die Uniformjacke wieder anzuziehen und den Dachboden zu verlassen. Vergessen Sie nicht, ein paar scharfe Projektile zurückzulassen.»
    «Und dann?»
    «Verschwinden Sie aus dem Palazzo Reale. Um fünf  Uhr fährt ein Zug nach Verona.» Oberst Hölzl machte ein zufriedenes Gesicht. «Bleibt nur noch Commissario Tron.
    Können Sie einschätzen, wie weit er inzwischen gekommen ist? Er hat nicht mehr viel Zeit.»
    Boldù zuckte die Achseln. «Er ist gestern nicht bei Zorzi aufgetaucht. Was nicht bedeutet, dass er untätig war. Ich glaube auch nicht, dass er die Ermittlungen abgegeben hat.»
    «Das hat er auch nicht. In diesem Fall hätte mich meine Dienststelle bereits benachrichtigt. Die Frage ist», fuhr der Oberst fort, «wie viel Zeit wir ihm noch lassen, bevor wir ihm einen anonymen Hinweis geben.»
    Boldù dachte kurz nach. Dann sagte er: «Bis morgen  früh. Die Jupiter legt um fünf Uhr nachmittags am Molo an.
    Wenn wir am frühen Vormittag eine Nachricht in die  Questura schicken, hätte Tron fast einen ganzen Tag Zeit, um die Leute aufzuspüren.»
    «Denken Sie, er schafft es ohne unsere Hilfe?»

    «Ich würde es ihm zutrauen», sagte Boldù.
    «Dann wäre da noch etwas.» Oberst Hölzl zog ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Innentasche seines Gehrocks und reichte es Boldù über den Tisch. «Wissen Sie, was das ist?»
    Das Papier, so groß wie ein Handteller, war mit vierzehn Buchstabenreihen bedruckt, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergaben. Oberst Hölzl hatte es gestern Morgen von einem Offizier des Nachrichtendienstes erhalten.
    Boldù warf einen flüchtigen Blick auf das Blatt. Dann sagte er: «Sieht aus wie eine verschlüsselte Nachricht. Vermutlich im Fence-Code chiffriert.»
    «Sie können die Nachricht entziffern?»
    Boldù lächelte. «Ich denke schon. Worum handelt es  sich?»
    «Um das Protokoll des kaiserlichen Besuchs für den  Donnerstag», sagte Oberst Hölzl. «Es wird erst vierundzwanzig Stunden vorher veröffentlicht.» Er drehte den Kopf und gab dem Wirt ein Zeichen. «Wir treffen uns Mittwoch wieder hier. Zur selben Uhrzeit. Dann besprechen wir die letzten Kleinigkeiten.»

39
    Ursprünglich hatte Tron die Absicht gehabt, sich am Wassertor des Casino Molin absetzen zu lassen. Aber der Regen hatte aufgehört, und so war er schon am Campo Santa Sofia aus der Gondel gestiegen, um das letzte Stück zu Fuß zu gehen und sich eine Strategie für das Gespräch mit Zorzi zurechtzulegen. Aber welche Strategie? Hatten sie es hier tatsächlich mit einem Doppelagenten zu tun? Schon das Wort hörte sich lächerlich an. Auf dem Seminario Patriarchale war Zorzi ein schmächtiger Junge mit einem ängstlichen Gesichtsausdruck und der Neigung zu plötzlichen Tränenausbrüchen gewesen. Vielleicht, dachte Tron, lag es auch an diesen Erinnerungen, dass er sich seinen alten Schulfreund nicht als kaltblütigen Profikiller vorstellen konnte.
    Am besten, dachte Tron, während er in die Calle della Rachetta einbog, würde er mit offenen Karten spielen. Alles, was er hatte, auf den Tisch legen und darauf vertrauen, dass Zorzi eine vernünftige Entscheidung traf. Nur: Was geschah, wenn Zorzi mit der Angelegenheit wirklich nichts zu tun hatte? Tron seufzte. Dann hatte er, Tron, ein Problem.
    Jedenfalls stand heute keine Gruppe von aufgekratzten Fremden vor dem Hintereingang des Casino Molin, um den Nachmittag in einem typisch venezianischen Spielcasino zu verbringen. Lediglich eine Katze schlich um den Eingang herum, im Maul etwas, das wie der Schwanz eines Fisches aussah. Im Vestibül des Casinos weigerte sich der blasierte Empfangschef zuerst, Tron bei Zorzi anzumelden. Direttore Zorzi sei beschäftigt und wünsche, nicht gestört zu werden.
    Der Blick, den er dabei auf Trons abgewetzten Gehpelz warf, sprach Bände. Erst als Tron ihm seinen Polizeiausweis vor die Nase hielt, bequemte er sich dazu, ihn anzumelden.
    Als Tron Zorzis Büro betrat, sah er, warum sein alter Schulfreund nicht gestört werden wollte. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich Jetons aus Elfenbein und Ebenholz und Geldscheine in allen möglichen Währungen. Direkt vor ihm lag ein großes, altmodisches Kontobuch, auf dem Zahlenkolonnen zu erkennen waren. Anstelle der üb lichen stinkenden Petroleumlampe stand ein eleganter vierarmiger Leuchter mit Wachskerzen auf dem Tisch. Dazu passte, dass Zorzi seine Eintragungen nicht mit einer modernen

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