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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Boden.
    Tron hatte im Fallen instinktiv die Arme vor den Kopf gerissen und die Augen geschlossen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass er an den Rand der Kabine gerutscht war.
    Der Schiffsboden hatte sich nach backbord geneigt, so als hätte eine Riesenfaust die Patna auf die Seite gekippt. Heiße Asche klebte ihm auf Gesicht, Händen und Haaren. Die Kajüte war voller Rauch, die Gardinen vor den Bullaugen standen in Flammen, und die Tür zum Niedergang hing halb geöffnet in den Angeln und gab den Blick auf einen Vorhang aus Regen frei, der, wie von bengalischen Feuern erleuchtet, ständig die Farbe änderte. Tron versuchte aufzustehen, schaffte es aber nicht. Also kroch er, ohne sich um das Glas überall auf dem Fußboden zu kümmern, auf die Tür des Niedergangs zu. Dort zog er sich über die Süll und kroch die Stufen hoch.
    Auf Deck kam er taumelnd auf die Beine und schaffte es, während hinter ihm eine weitere Salve von Explosionen die Patna erschütterte, mit letzter Kraft bis zur Reling. Dann zog er seinen Gehpelz aus, hielt die Luft an und sprang ins Wasser.

42
    Das Geräusch – ein leises, raschelndes Trippeln, das man nur hörte, wenn man den Atem anhielt – kam erst näher, dann entfernte es sich wieder von dem Bett, auf dem er lag.
    Tron kannte es. Es war das Geräusch, mit dem größere Mäuse (oder Ratten?) über herabgefallene Noten und Papiere liefen, woraus zu schließen war, dass er sich im Zwischengeschoss des Palazzo Tron in seinem Schlafzimmer befand.
    Merkwürdig, dass er sich kaum erinnern konnte, was geschehen war, nachdem ihn der Gondoliere in die Gondel gezogen hatte. Eigentlich nur an die Erleichterung, mit der er sich auf den Boden des Bootes gelegt und die Augen geschlossen hatte, und daran, wie geborgen er sich unter dem schwarzen Dach der felze gefühlt hatte. Auch seine Erinnerung an die letzten Augenblicke vor der Explosion war unscharf. Er war in der Dunkelheit über ein Tau gestolpert, das direkt vor dem Niedergang gelegen hatte. Er war zu Boden gefallen, und dann war plötzlich eine heiße Welle über ihn hinweggefegt, begleitet von einem gewaltigen, zischenden Getöse und einer schlagartigen Erhellung des Himmels. Hatte ihn eine zweite Explosion von Bord geschleudert? Wunderbarerweise ohne ihn zu verletzen?
    Tron wusste es nicht, und für den Moment reichte es ihm auch, in seinem Zimmer zu liegen und das vertraute Geräusch zu hören, mit dem die Mäuse über herabgefallene Noten trippelten.
    Er schlug die Augen auf, blinzelte ein wenig – und  blickte erstaunt in den seidenen Betthimmel der Principessa.
    Also lag er nicht im Palazzo Tron, sondern im Schlafzimmer des Palazzo Balbi-Valier.
    «Guten Morgen, Tron», sagte die Stimme der Principessa.
    Tron richtete sich auf, drehte den Kopf und sah, dass sie sich auf einem kleinen Schemel am Kopfende des Bettes niedergelassen hatte. Ihr dunkelblaues Atlaskleid raschelte, als sie sich über ihn beugte, um ihn zu küssen. Offenbar regnete es noch immer, die Tropfen schlugen leise gegen die Fensterscheiben.
    «Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?» Die Principessa sah Tron besorgt an.
    Tron räkelte sich ein wenig. Er stellte fest, dass ihm praktisch nichts wehtat und er sich, abgesehen von einer gewissen Benommenheit, großartig fühlte. Und dann stellte er fest, dass das Bett der Principessa der wunderbarste Ort der Welt war und er nicht die geringste Lust hatte aufzustehen. Die Vorstellung, sich ein paar Tage lang verwöhnen zu lassen, hatte etwas ausgesprochen Verlockendes.

    Tron ließ sich in die daunengefüllten Kissen zurücksinken und schloss demonstrativ die Augen. «Ich fühle mich noch ein wenig schwach.»
    «Du solltest endlich damit aufhören, Tron», sagte die Principessa. Ihr Ton war streng, ihr Italienisch ein hartes Toskanisch ohne den geringsten Anklang an das weiche veneziano.
    Womit? Zu simulieren? Hatte ihn die Principessa durchschaut? Tron zog die Bettdecke hoch und räusperte sich.
    «Womit sollte ich aufhören, Maria?»
    «Mit diesem Beruf», sagte die Principessa zu seiner Erleichterung. «Denn wenn es stimmt, was mir Bossi erzählt hat, war es gestern Nacht ziemlich knapp.»
    «Was hat er dir erzählt?»
    «Dass die Patna explodiert ist und dich der Gondoliere im letzten Moment aus dem Wasser gefischt hat. Du warst bewusstlos. Dr. Lanier ist sofort gekommen, aber außer einer Abschürfung an der linken Schulter hat er nichts entdecken können.»
    «Wie spät ist es?»
    «Kurz vor eins. Du bist länger

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