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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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muss ich unter  vier Augen sprechen.»
    «Und wenn sich der Sprengstoff tatsächlich auf dem  Schiff befindet?»
    «Dann werden wir die Ladung noch heute sichern und  uns überlegen, welche Geschichte wir morgen präsentieren.» Tron lächelte. «Es wird in jedem Fall auf eine Blamage für Toggenburg hinauslaufen.»
    Die Principessa ließ sich befriedigt auf ihre Recamière zurücksinken und griff nach ihrem Zigarettenetui. «Und Franz Joseph wird uns allen aus der Hand fressen.»
    Tron bezweifelte, dass Franz Joseph ihnen allen aus der Hand fressen würde, aber es war nicht der geeignete Augenblick, um darüber zu diskutieren.
    Er sagte: «Dein Gondoliere kann mich auf der Patna absetzen. Er braucht nicht zu warten. Zorzi wird mich anschließend zurückbringen.»

    Im Grunde, dachte Tron, war es Wahnsinn, bei diesem  Wetter eine Gondel zu benutzen. Er hätte zu Fuß zur Punta di Santa Marta gehen und an Ort und Stelle versuchen sollen, jemanden aufzutreiben, der ihn zur Patna hinüberruderte. Als die Gondel den schmalen Rio di San Vio verlassen hatte und in den offenen Giudecca-Kanal einbog, war der Regen stärker geworden. Er fiel in dichten, harten Tropfen auf das schwarze Wasser, und Tron musste unwillkürlich an den Acheron denken, den Totenfluss der Griechen. Sah der Gondoliere der Principessa in seinem regenfesten schwarzen Gewand mit der Kapuze nicht arg charonmäßig aus? Handhabte er das Ruder nicht wie eine Sense?
    Jedenfalls kamen sie jämmerlich langsam voran, und es dauerte gut zwanzig Minuten, bis die Uferlinie des Giudecca-Kanals einen scharfen Knick nach rechts machte und Tron die freie Fläche der Spiaggia di Santa Marta erkennen konnte. Und nun wurden auch die Schiffe sichtbar, die vor der Punta di Santa Marta festgemacht hatten – schwarze, unförmige Gebilde, die sich undeutlich vor dem Dunkelgrau des regnerischen Himmels abhoben.
    Tron hatte sich die ganze Zeit gefragt, wie sie die Patna in der Dunkelheit finden würden, aber jetzt verstand er, warum Zorzi auf nähere Instruktionen verzichtet hatte. Nur ein einziges unter dem halben Dutzend ausrangierter Schiffe hatte Positionslichter gesetzt. Es lag am Rand der kleinen Flotte, fast gegenüber dem Campo di Marte. Als sie näher kamen, sah Tron, dass eine Petroleumlampe auf der Steuerbordseite des Bugs den Schriftzug Patna beleuchtete. Eine weitere Petroleumlampe, an der Reling befestigt, warf einen flackernden Lichtschein auf Zorzis sandalo, der direkt vor dem Fallreep angetäut war.
    Patna. Ein merkwürdiger Name, fand Tron. Hieß so nicht eine Stadt in Nordindien, die Marco Polo auf dem Weg nach Katai besucht hatte? Tron richtete sich auf. Er ignorierte das Regenwasser, das ihm über das Gesicht lief, und sprang in den sandalo. Dann kletterte er über das Fallreep auf das Deck des Schiffes.
    Auch hier hatte Zorzi dafür gesorgt, dass er den Weg in der Dunkelheit nicht verfehlen konnte. Eine dritte Petroleumlampe erleuchtete einen Niedergang, und Tron hielt sich vorsichtig am Geländer fest, um auf den nassen Stufen nicht zu fallen. Unten angekommen, stand er vor einer Tür, drückte die Klinke nach unten und trat ein.
    Der Raum war größer, als er erwartet hatte. Bis auf einen quadratischen Tisch, auf den Zorzi eine brennende Kerze gestellt hatte, und einen Stuhl war er leer. Tron sah links und rechts je drei von Vorhängen halb verdeckte Bullaugen und in der Decke ein gläsernes Oberlicht, das er von außen nicht bemerkt hatte. Auf der anderen Seite des Raumes befand sich eine zweite Tür. Es roch nach abgestandenem Zigarettenrauch, und Tron fiel ein, dass Zorzi bei ihrer letzten Begegnung im Casino Molin geraucht hatte. Er hielt den Atem an, doch außer dem Geräusch des fallenden Regens, der auf das Oberlicht schlug, war nichts zu hören. «Zorzi? Bist du hier?»
    Als keine Antwort kam, ging Tron ein paar Schritte in den Raum hinein und wiederholte seine Frage. Diesmal sprach er ein wenig lauter. «Zorzi? Bist du hier?»
    Wieder antwortete niemand. Stattdessen hörte Tron ein flüsterndes Zischen in der angrenzenden Kabine. Es wurde lauter, ging in ein heulendes Kreischen über, und dann erfolgte plötzlich eine dröhnende Explosion, ein Geräusch, das nur aus einem einzigen, alles durchdringenden Ton bestand. Die Tür löste sich aus der Wand und schlug krachend gegen den Tisch. Eine Feuerzunge schoss brüllend in den Raum, und der Luftdruck einer zweiten Explosion ließ das Oberlicht der Kajüte zersplittern und schleuderte Tron zu

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