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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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sich knarzend, der Arm eines Lakaien war kurz zu sehen, und dann betrat Crenneville das kaiserliche Arbeitszimmer und verneigte sich. «Ich gratuliere, Majestät.»
    «Wozu?» Franz Joseph zog die Augenbrauen empor. Eigentlich war es klar, worauf die Gratulation sich bezog.

    Crenneville deutete eine weitere Verbeugung an. «Majestät haben den Bericht des Polizeipräsidenten gelesen?»
    Franz Joseph nickte. «Selbstverständlich. Die Hydra ist geköpft, der Drache erschlagen. Ein schöner Erfolg, Crenneville.»
    Crenneville, der wusste, was von ihm erwartet wurde, hob abwehrend die Hand. «Majestät dürfen sich selbst zu diesem Erfolg gratulieren. Immerhin beruht der ganze Plan auf einem glücklichen Einfall Dero Majestät.»
    «Der Plan stammt in der Tat von mir. Das haben Sie  sehr richtig bemerkt.» Franz Joseph richtete einen wohlwollenden Blick auf Crenneville. «Aber ohne die Mitwirkung der subalternen Ränge bleiben selbst die glücklichsten Einfälle folgenlos.»
    Crenneville, der sich durch dieses zweideutige Lob den subalternen Rängen zugerechnet sah, nickte frostig.
    «Für Toggenburg», fuhr Franz Joseph fort, «ist das ein schwerer Schlag. Zumal wir die venezianische Polizei von der Sicherung meiner Person dispensiert hatten.»
    «Der Stadtkommandant wird den Vorfall nicht als persönliches Versagen empfinden. Das alles war leider unvermeidlich. Eben weil es …» Crenneville brach ab und ließ den Schluss des Satzes in der Luft hängen. Er lächelte resigniert.
    Franz Joseph sprach ihn zu Ende. «Weil es der Armee an den nötigen Mitteln fehlt.»
    Crenneville senkte zustimmend den Kopf. «Ein Eindruck, der sich durch die Ereignisse des übernächsten Tages noch befestigen wird.»
    Franz Joseph schien über etwas nachzudenken. Schließlich sagte er: «Was halten Sie davon, wenn wir den Commissario, der die Operation geleitet hat, auch auf den Ball bitten? Immerhin ist der Mann fast ums Leben gekommen.»
    «Zusammen mit dem Polizeipräsidenten?»
    Franz Joseph nickte. «Der soll ebenfalls kommen. Das wird die Animositäten, die man in der Kommandantura gegenüber der venezianischen Polizei empfindet, verstärken. Die Einladung könnte auch als subtile Kränkung der militärischen Kräfte interpretiert werden.»
    «Majestät meinen, das Parlament könnte aus …»
    Franz Joseph fand an dem Gedanken, der ihm so überraschend gekommen war, Gefallen. «Sie unterschätzen den Mitleidseffekt, Crenneville. Speziell Zivilisten unterliegen diesem Gefühl recht häufig. In jedem Fall aber», fuhr der Kaiser fort, «wäre ein huldvolles Gespräch meinerseits mit dem Commissario nur angemessen. Die Kaiserin hält große Stücke auf den Mann. Er konnte ihr und auch meinem Bruder Maximilian vor einiger Zeit behilflich sein.»
    «Soll ich also eine Einladung veranlassen?»
    Franz Joseph nickte. «Reden Sie mit Königsegg. Das ist sein Ressort.» Er sah Crenneville an. «Und die Vorbereitungen für übermorgen? Wie steht es damit?»
    «Ich glaube nicht, dass es Anlass zur Sorge gibt, Majestät», sagte Crenneville.
    Franz Joseph fand das Wort glauben in diesem Zusammenhang unglücklich gewählt. «Sie glauben ?»
    Crenneville räusperte sich. «Ich bin mir sicher, Majestät.»
    «Hatte dieser Oberst Hölzl heute noch Kontakt mit unserem Mann?»
    Crenneville schüttelte den Kopf. «Das letzte Gespräch fand gestern Nachmittag statt. Der Oberst hat unserem Mann das Protokoll für den Donnerstag übergeben.»
    «Also bleibt es bei der ursprünglichen Planung.»

    Crenneville nickte. «Um vier Uhr wird die malefico geläutet. Das ist die Angriffstrompete für unseren Mann. Zehn Sekunden später werden die Schüsse fallen.»
    Plötzlich lächelte der Kaiser maliziös. «War das Ihr Vorschlag, die malefico zu läuten?»
    «Es war der Vorschlag von Oberst Hölzl», sagte Crenneville matt.
    «Wissen Sie, zu welchem Anlass die malefico in alten Zeiten geläutet wurde?» Das maliziöse Lächeln des Kaisers hatte sich verstärkt.
    Crenneville schüttelte den Kopf.
    «Um eine Hinrichtung anzukündigen.»

44
    «So ein Unsinn.» Tron nahm den Kneifer von der Nase, schob die Tasse mit der heißen Schokolade zurück und faltete die Gazzetta di Venezia wütend zusammen.
    «Was ist Unsinn?» Die Principessa, wie jeden Morgen  beim Frühstück in ihre Papiere vertieft, war bereits in vollständiger Geschäftstoilette – ein Promenadenkleid aus grauem Twill, das am Hals von einer schlichten Granatbrosche geschmückt wurde. Tron, der

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