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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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so scharf, dass es die Luft vor ihrem Mund zerschnitt. «Soll ich dir verraten, was das Kakaopulver kostet, das wir fuderweise aus Paris beziehen?»
    Tron zog die Hand, die er nach der Schokoladentasse  ausgestreckt hatte, erschrocken zurück. «Nun, fuderweise …»
    «Ich verrate es dir, Tron. Ich kann dir auch die Rechnungen zeigen. Deine Frühstücksschokolade, die fünf Tassen, die du …»
    Doch die Principessa wurde unterbrochen, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür des Frühstückssalons, und Moussada kündigte einen Besucher an.
    Es war Bossi, der auf der Türschwelle stehengeblieben war, sich respektvoll vor der Principessa verneigte und sich dann an Tron wandte. «Ich weiß, Sie kurieren sich noch, Commissario. Aber …»
    «Aber was?»
    Bossi räusperte sich. Er sah blass und angespannt aus.
    «Die Leiche von Zorzi ist angeschwemmt worden.»

    Einen Augenblick lang war Tron davon überzeugt, dass er sich verhört hatte. «Wie bitte?»
    «Auf der Giudecca», sagte Bossi. «Direkt vor der Redentore. Ich war eben dort.»
    «Sie konnten Zorzi identifizieren?»
    Bossi nickte. «Seine Kleider sind ein bisschen angesengt.
    Das ist alles. Die Druckwelle scheint ihn ins Wasser geschleudert zu haben.»
    «Was ist mit Dr. Lionardo?»
    «Der müsste auf dem Weg sein.»
    «Geben Sie mir zehn Minuten, um mich umzuziehen»,
    sagte Tron.

45
    Zorzi lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, und für einen Mann, der aus einem explodierenden Schiff geschleudert worden war, sah er erstaunlich gut aus. Der linke Ärmel seines Gehpelzes war angesengt, ebenso wie der Kragen des Mantels. Das Wasser hatte Zorzis Haut grau ausgelaugt, doch es war kaltes Wasser gewesen, und die Leiche hatte nicht länger als zwei Tage in der Lagune gelegen.
    Tron vermutete, dass die Ebbe sie in die südliche Lagune gezogen und die Flut sie zurück in den Giudecca-Kanal getrieben hatte. Zorzis Anblick drehte einem nicht den Magen um. Selbst der Einschuss in der Mitte seiner Stirn wirkte nicht sonderlich schockierend, vielleicht weil er an einen kurzen, schmerzlosen Tod denken ließ.
    Sie hatten die Leiche die Stufen hinaufgetragen und di rekt vor den Eingang der Redentore gelegt. Das war nicht nötig gewesen, und Tron deutete es als eine unbewusste Geste der Pietät. Ein Dutzend Neugieriger hatte sich vor den Stufen versammelt, aber niemand machte Anstalten, sich zu nähern. Es war kalt, und ein scharfer Nordwind trieb graue Nebelschwaden über den Giudecca-Kanal.
    «Ich glaube nicht», sagte Dr. Lionardo, ohne seine Zeit mit Begrüßungsfloskeln zu verschwenden, «dass ihn die Explosion getötet hat.» Der dottore hatte sich erhoben und seine weißen Baumwollhandschuhe abgestreift, als Tron und Bossi neben Zorzis Leiche getreten waren. Offenbar hatte er seine Untersuchung gerade beendet.
    «Es sei denn», fuhr Dr. Lionardo fort, «Signor Zorzi hat trotz des Einschusses zwischen den Augen noch gelebt, als die Patna explodiert ist.»
    «Können Sie einen Selbstmord ausschließen?», fragte Tron.
    Dr. Lionardos Miene besagte, dass er diese Frage für überflüssig hielt. «Normalerweise feuern sich die Leute ins Herz oder in die Schläfe. Sich direkt zwischen die Augen zu schießen wäre äußerst ungewöhnlich.»
    «Also ist er mit großer Wahrscheinlichkeit ermordet  worden», sagte Bossi.
    Dr. Lionardo nickte. «Und offenbar von jemandem, der kein schlechter Schütze gewesen ist.»
    «Weil er Zorzi genau in die Mitte der Stirn getroffen hat?», fragte Tron.
    «So ist es.»
    «Gibt es Abwehrverletzungen?», erkundigte sich Tron.
    Dr. Lionardo schüttelte den Kopf. «Der Schuss muss völlig überraschend auf Signor Zorzi abgefeuert worden sein.
    Einen Kampf hat es nicht gegeben.»
    «Haben Sie seine Taschen durchsucht?»

    «Selbstverständlich.» Dr. Lionardo bückte sich und holte ein durchnässtes Stück Papier und eine Patrone aus seinem Arztkoffer und reichte Tron beides.
    Das Papier war zusammengefaltet, stark aufgequollen  und mit Buchstaben bedruckt, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergaben. Es würde besser sein, dachte Tron, es in der Questura vorsichtig trocknen zu lassen, bevor sie darangingen, es zu entziffern. Bei der Patrone handelte es sich um ein längliches Messingprojektil mit einer grau-silbernen Spitze, an der offenbar jemand herumgefeilt hatte.
    Dr. Lionardo sah Tron lächelnd an. «Gibt es Waffenexperten bei Ihnen an der Questura?»
    «Wir könnten uns an Experten der Kommandantura  wenden.»
    «Das brauchen

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