Die Matlock-Affäre
unmöglich, sein Gesicht zu sehen oder auch nur seine Größe zu bestimmen.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
»Ich bin der Mann, mit dem Sie sich treffen sollen. Ich will das Papier sehen, das Sie in der Tasche haben. Werfen Sie es herunter.«
»Ich werde Ihnen das Papier zeigen, wenn ich Ihre Kopie sehe. Das war unsere Vereinbarung. So habe ich es zumindest abgesprochen.«
»Sie verstehen nicht, Matlock. Werfen Sie einfach das Papier herunter. Das ist alles.«
»Wovon zum Teufel reden Sie?!«
Das grelle Scheinwerferbündel einer Taschenlampe blendete ihn. Er griff nach der Schutzstange, die ihn im Sitz festhielt.
»Rühren Sie das nicht an! Halten Sie hübsch die Hände still, sonst sind Sie ein toter Mann!«
Der Lichtkegel wanderte von seinem Gesicht zu seiner Brust hinunter, und ein paar Sekunden lang war alles, was Matlock sehen konnte, ein Gebilde tausender flammender Sterne in seinen Augen. Als er dann wieder sehen konnte, erkannte er, daß der Mann unter ihm jetzt näher auf die Liftkabel zuging und sich dabei immer wieder mit Hilfe seiner Taschenlampe am Boden orientierte. Im Schein der Lampe sah er auch, daß der Mann eine große häßliche Automatik in der rechten Hand hielt. Das blendende Licht kehrte jetzt zu seinem Gesicht zurück und schien unmittelbar unter ihm.
»Bedrohen Sie mich nicht, Sie Knilch!« schrie Matlock und erinnerte sich daran, welche Wirkung sein Ärger um vier Uhr früh auf Stockton gehabt hatte, »Stecken Sie diese gottverdammte Waffe weg, und helfen Sie mir herunter! Wir haben nicht ewig Zeit, und ich mag solche Spiele nicht!«
Diesmal war der Effekt nicht derselbe. Statt dessen fing der Mann unter ihm zu lachen an, ein Lachen, das in ihm fast Übelkeit erzeugte. Dabei war es völlig echt. Der Mann unten empfand ein Heidenvergnügen.
»Sie sind sehr komisch. Sie sehen komisch aus, wie Sie da mit dem Hintern in der Luft hocken. Wissen Sie, wie Sie aussehen? Wie eine von diesen hüpfenden Affenzielscheiben auf einem Schießstand! Wissen Sie, was ich meine? Und jetzt Schluß mit dem verdammten Unfug, werfen Sie mir das Papier herunter!«
Wieder lachte er. Als Matlock das hörte, war ihm plötzlich alles klar.
Er hatte gar keinen Kontakt hergestellt. Er hatte niemanden in die Enge getrieben. All seine sorgfältigen Pläne, seine wohlüberlegten Aktionen, alles für nichts und wieder nichts. Er war Nimrod jetzt um kein Jota nähergerückt, war ihm genauso fern wie vor der Zeit, da ihm Nimrods Existenz überhaupt zur Kenntnis gelangt war.
Man hatte ihn in eine Falle gelockt.
Trotzdem mußte er es versuchen. Es blieb ihm gar nichts anderes übrig.
»Sie machen den größten Fehler Ihres Lebens!«
»Ach du liebe Güte, hören Sie schon auf! Her mit dem Papier! Wir suchen diesen Scheißfetzen jetzt seit einer Woche! Ich habe Anweisung, ihn jetzt zu bringen!«
»Ich kann es Ihnen nicht geben.«
»Dann knalle ich Sie ab!«
»Ich habe gesagt, daß ich nicht kann! Ich habe nicht gesagt, daß ich nicht will!«
»Sie wollen mich wohl verscheißern. Sie haben es bei sich! Sie wären niemals ohne das Papier hierhergekommen!«
»Es ist in einem Päckchen, das ich mir ums Kreuz geschnallt habe.«
»Dann holen Sie's heraus!«
»Ich habe doch gesagt, daß es nicht geht! Ich sitze auf einem vier Zoll breiten Holzknüppel mit einer Fußstange und hänge zwanzig Fuß über dem Boden!«
Der peitschende Regen verschluckte seine Worte fast völlig. Der Mann unter ihm war enttäuscht, ungeduldig. »Ich habe gesagt, her mit dem Papier!«
»Ich muß mich fallen lassen. Ich komme nicht an die Riemen!« Matlock mußte schreien, um sich Gehör zu verschaffen. »Ich kann gar nichts tun! Ich habe keine Waffe!«
Der Mann mit der großen häßlichen Automatik trat ein paar Schritte zurück. Er richtete den Lichtkegel seiner Taschenlampe und die Waffe auf Matlock.
»Okay, kommen Sie runter! Aber eine falsche Bewegung, und ich verpass' Ihnen eine Ladung Blei!«
Matlock löste die Sicherheitsstange und kam sich wie ein kleiner Junge ganz oben auf einem Riesenrad vor, der sich fragt, was wohl geschehen würde, wenn das Rad für immer anhielte und der Sicherheitsbügel herunterfiele.
Er hielt sich an der Fußstütze fest und ließ sich herunter. Er baumelte jetzt in der Luft. Der Regen durchnäßte ihn, während der Lichtkegel ihn blendete. Er mußte jetzt scharf nachdenken, mußte sich etwas einfallen lassen. Sein Leben war für jemanden wie den Mann dort unten viel weniger wert, als das Leben
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