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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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welche ich kaum verlassen habe.«
    Zahra hatte sich sofort zu Morayma hingezogen gefühlt. Im Gegensatz zu ihrem hochgewachsenen, dominanten und überaus cholerischen Vater war Morayma ein sanftes, feenartiges Geschöpf mit großen, dunklen Rehaugen und einem noch überaus kindlichen Naturell – womit sie Aischa nicht selten zur Weißglut brachte. Auch jetzt versetzte sie Aischa mit ihrem Weinen in Zorn. Wütend fuhr sie zu ihr herum. »Fällt dir in einem Moment wie diesem nichts Besseres ein als unbeherrschtes Geplärre?«, herrschte sie diese an. »Weinen ist etwas für Schwächlinge und der Frau des Emirs von Granada nicht würdig!«
    Ihr Ausbruch erschreckte ihr Gefolge so sehr, dass es sich hastig in die nebenan liegenden Gemächer verzog.
    »Morayma ist noch sehr jung«, versuchte Zahra die Sultanin zu beschwichtigen. »Außerdem hat sie gerade ihren Vater verloren.«
    »Ich habe meinen Vater auch verloren und meine ganze übrige Familie gleich mit und war damals weitaus jünger als sie«, donnerte Aischa zurück. »Feige Thronräuber haben sie vor meinen Augen im Palast niedergemetzelt. Doch statt zu weinen und zu verzweifeln, bin ich mit meiner Base Nadschat in die unterirdischen Geheimgänge unter der Alhambra geflüchtet und habe mir später den Platz zurückerobert, der mir von meiner Geburt her zustand! Weinen und Wehklagen bringen uns nicht weiter. Wir müssen überlegen, wie wir Boabdil befreien können, ehe Hassan die Gelegenheit ergreift, sich wieder des Throns zu bemächtigen. Das Volk von Granada ist bekannt für seine Wankelmütigkeit. Wenn sich die Kunde von Boabdils Niederlage ausbreitet, werden nicht wenige uns die letzten Siege Hassans vorhalten und seine Rückkehr fordern!«
    Für einen Moment fragte sich Zahra, ob Aischa der Thron womöglich wichtiger war als ihr eigener Sohn, wie Boabdil einmal behauptet hatte, aber dann sagte sie sich, dass Aischa gewiss keine Frau war, die zugeben würde, dass sie sich um ihren Sohn sorgte. Aischa war zum Herrschen und Siegen erzogen worden, nicht zum Zaudern und Zeigen von Gefühlen.
    Aischa rief nach Kafur und befahl ihm, nach dem Schreiber zu schicken und dafür zu sorgen, dass sich eine Eskorte bereit machte, um einen Boten nach Baena zu begleiten. »Und schick nach Ismail.«
    Während sie auf das Eintreffen des Schreibers wartete, schritt Aischa in dem weitläufigen Zimmer auf und ab und murmelte: »Wir müssen den Christen ein so hohes Lösegeld für Boabdil anbieten, dass sie einfach nicht ablehnen können!«
    Zahra hoffte, dass die Sultanin bei ihrem Gebot auch an die Leibwächter Boabdils denken würde. Der Bote hatte gesagt, bis auf Salim seien sie alle mit Boabdil gefangen genommen worden. Dass bedeutete, dass Raschid lebte, besagte aber nicht, dass er auch unverletzt war. Schauergeschichten über die Behandlung von maurischen Gefangenen kamen Zahra in den Sinn, die sie aber gleich wieder von sich schob. Ihr Bruder war schließlich nicht irgendein Gefangener; er war ein as-Sulami und Vertrauter und Leibwächter des Emirs!
    Auch an Deborah wagte Zahra kaum zu denken. Mein Gott, wie verzweifelt sie sein wird! Und nicht weniger bang wurde ihr, als sie sich Aischas Worte ins Gedächtnis rief. Der Allmächtige stehe ihnen bei, wenn Hassan tatsächlich die Gelegenheit ergriff, sich wieder des Throns zu bemächtigen. Ohne Zweifel würde er grausame Rache an Boabdils Getreuen üben, zu denen – mit Ausnahme Yazids, von dem sie schon seit Monaten nicht einmal wussten, wo er sich aufhielt – auch ihre eigene Familie gehörte.
     
    Schon eine halbe Stunde später hatte Aischa ihr Schreiben diktiert; direkt anschließend meldete Kafur Ismail. Aischa schickte Morayma zu ihrem Gefolge in die Nebengemächer, Zahra aber befahl sie zu bleiben und sich ihren Hidschab anzulegen. Als Ismail eintrat, verbeugte er sich vor Aischa und sagte ihr, dass die schlechten Nachrichten aus Lucena schon zu ihm gedrungen seien. »Was gedenkt Ihr jetzt zu tun, Gebieterin? Wenn das Volk von Boabdils Niederlage erfährt, wird es sofort nach Hassan rufen, und solange Boabdil in Gefangenschaft ist, wird es hier nur wenige geben, die seinen Thron für ihn verteidigen. Auf dem Weg hierher habe ich schon die Ersten von der Weissagung munkeln hören, die über Boabdil seit seiner Geburt wie ein Damoklesschwert schwebt!«
    Aischa machte eine unwirsche Handbewegung. Diese Weissagung hatte Boabdils ganze Jugend überschattet und ihn der Liebe seines Vaters beraubt. Würden die

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