Die Maurin
»Bei einem Maurenangriff müssten fünf brennen.«
Sein Onkel rief trotzdem seinen Hauptmann und befahl ihm, die Soldaten in Bereitschaft zu versetzen. »Nach so vielen Jahren in diesem Grenzgebiet habe ich ein Gespür dafür, wenn die Mauren wieder ihr Unwesen treiben!«
Und noch ehe die Soldaten ihre Knappen angetrieben hatten, ihre Rüstungen zu holen und auf Vordermann zu bringen, flackerte auf den Hügeln der Horquera das fünfte Lärmfeuer auf.
Don Diego de Córdoba gab Befehl, dass sich noch vor Tagesanbruch alle verfügbaren Soldaten kampfbereit am Stadttor einzufinden hatten. In der Festung und der nahen Stadt wurden die Alarmglocken geläutet und eilig Boten zu den Nachbarorten geschickt, um für Unterstützung für Lucena zu werben. Die halbe Nacht herrschte in der Festung und der Stadt emsiges Treiben. In den Waffenschmieden wurden Schwerter nachgeschliffen und letzte Hand an Rüstungen gelegt, der Hufschmied überprüfte die Pferdehufe, die Knappen bürsteten den Gambeson ihrer Herren aus und ölten die Scharniere an den Rüstungen. Bei Sonnenaufgang versammelten sich an den Toren der Festung Baena zweihundertfünfzig schlachten-erprobte Ritter und tausendzweihundert Fußsoldaten, bereit, ihr Leben zu geben, um den Mauren endlich den Garaus zu machen.
An der Seite seines Onkels führte Gonzalo den hehren Zug der mutigen Männer an. Die Mauren hatten angegriffen, seine Landsleute waren in Gefahr. Da gab es auch für ihn kein Zaudern.
Rasch ließen sie die Ebene hinter sich, überquerten die Horquera und sahen von der Bergspitze, wie die Mauren eben erneut gegen Lucena zogen. Don Diego schützte seine Augen gegen die aufgehende Sonne und warf einen langen Blick auf den maurischen Trupp. Mit einem Mal breitete sich auf seinem Gesicht ein begeistertes Strahlen aus. »Sieh nur, Gonzalo«, rief er. »Dort vorn an der Spitze – das muss Boabdil selbst sein. Da, der Hüne auf dem reinweißen Atlasschimmel! Und die Soldaten, die ihn umringen, sind gewiss seine Leibwächter.« Mit blitzenden Augen wandte er sich an seinen Standartenträger. »Los, Juan, roll die Fahne aus!«
Der Angesprochene tat, wie ihm geheißen, doch statt des Banners des Diego von Córdoba, das seit achtzig Jahren in Gebrauch war, hatte er in der Eile des Aufbruchs die Fahne der Grafschaft Cabra mitgenommen, die von Don Diego und seinen Vorfahren schon seit einem halben Jahrhundert nicht mehr mitgeführt worden war. Auf dem verblichenen Tuch war eine Ziege zu sehen. Don Diego befahl ihm, die Fahne dennoch auszurollen.
»Was meinst du, Gonzalo«, rief er, »was unser holder König für Augen macht, wenn wir ihm Boabdil als Gefangenen präsentieren, und erst der ständig auf alle Errungenschaften anderer eifersüchtige Don Juan!«
»Aber sie sind in der Überzahl. Sie anzugreifen, bevor die Verstärkung aus den umliegenden Orten anrückt, birgt ein gewaltiges Risiko!«
»Dafür lockt uns eine besondere Trophäe«, erwiderte sein Onkel unbekümmert. »Wir müssen ja nicht sein ganzes Heer niedermetzeln – wenn wir Boabdil gefangen nehmen können, ist der Sieg auch so der unsere. Warten wir aber, bis die Verstärkung anrückt, kann er längst entwischt sein!« Er wandte sich seiner Truppe zu. »Bei Santiago, uns bietet sich eine historische Gelegenheit. Gott ist mit den Mutigen! Konzentriert euch einzig und allein darauf, dass wir zu Boabdil vorstoßen!«
Er winkte seinen Hauptmann und zwei seiner treuesten Ritter zu sich und befahl ihnen, von den Pferden zu steigen und sich unter die Fußtruppe zu mischen. »Spornt die Soldaten an und behaltet Nachzügler im Auge. Macht unseren Leuten klar, dass wir jedem, der vor der maurischen Übermacht zu fliehen wagt, eigenhändig den Kopf abschlagen. Und du, Gonzalo, hältst dich an meiner Seite und hilfst mir, zu Boabdil vorzustoßen!«
Gonzalo nickte und preschte mit seinem Onkel den Hang hinab. Er kannte Boabdil ebenso wenig persönlich wie irgendeiner der anderen Männer hier. Und auch wenn er ihm dessen Friedensbemühungen hoch anrechnete, änderte das nichts daran, dass auch er gern den maurischen Emir gefangen setzen würde. Vielleicht ließe sich ja auf diesem Weg dem Kriegstreiben ein Ende bereiten.
Raschid bemerkte die Christen als Erster. Sofort machte er Boabdil und Ali al-Attar auf den Trupp aufmerksam, der von den Bergen auf sie zustürmte.
»Diese Verstärkung wird die christliche Brut in Lucena auch nicht retten«, knurrte Ali al-Attar. Er legte die Hand über die
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