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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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keiner von ihnen verlor ein Wort darüber. In Zeiten wie diesen galten andere Gesetze. Zahra hoffte, dass auch Allah dies so sah.
     
    In der Zwischenzeit ging es Boabdil in Baena zumindest körperlich um einiges besser als seinen Leibwächtern. Während diese ihre ohnehin karge Kost in dem nasskalten Kerker der Burg mit bloßen Händen gegen ausgehungerte Ratten verteidigen mussten, hatte Gonzalo veranlasst, dass der Emir unter würdevolleren Umständen untergebracht und so ehrenvoll und zuvorkommend behandelt wurde, wie es ihm aufgrund seiner hohen Stellung zukam.
    Zunächst hatte sein Onkel sich heftig gegen Boabdils Verlegung ausgesprochen. »Himmel noch eins! Er ist nur ein Ungläubiger und kein König von Gottes Gnaden!«
    Aber als Gonzalo nicht ohne einen gewissen Schalk in den Augen anmerkte, dass sein Onkel sicher nicht riskieren wolle, dass sich sein wertvolles Pfand im Kerker die Schwindsucht hole, gab er knurrend nach. An diesem Morgen aber, drei Tage nach Boabdils Verlegung, eilte Don Diego erbost in die Bibliothek, wo Gonzalo an einem Lesepult in eines der zahlreichen Bücher seines Onkels vertieft war.
    »Das haben wir nun von deiner Gutmütigkeit«, raunzte er Gonzalo ohne jede Begrüßung an. »Jetzt verweigert der Maure die Nahrungsaufnahme!«
    Gonzalo brauchte einen Moment, bis ihm klarwurde, von wem die Rede war. »Und warum will er nichts mehr essen?«
    »Woher soll denn ich das wissen? Bin ich der Maurenfreund oder du? Ach, verdammt, ich wünschte, der Bote von den Königen wäre schon zurück, und sie würden uns den Maurenkönig endlich abnehmen!«
    »Möglicherweise liegt es an dem Essen, das wir ihm vorsetzen«, erwiderte Gonzalo nachdenklich. »Der Koran verbietet seinen Gläubigen den Verzehr vielerlei Nahrungsmittel, die wir sehr gern zu uns nehmen, und …«
    »Soll ich jetzt für ihn vielleicht auch noch einen maurischen Koch einfangen gehen?«, fiel Don Diego ihm ungehalten ins Wort.
    »Ich denke«, gab Gonzalo schmunzelnd zurück, »dass es für den Moment schon reicht, ihn einfach zu fragen, was er an unserem Essen auszusetzen hat.«
    »Das kannst du gern selbst machen«, grollte Don Diego und verließ murrend die Bibliothek.
     
    In Wahrheit war Gonzalo von Anfang an darauf erpicht gewesen, Boabdil kennenzulernen. Während der Gefangennahme war ihm kaum Zeit geblieben, ihn auch nur länger anzusehen, aber das, was er von ihm erfasst hatte – die klugen, braunen Augen und die klare, sanfte Stimme –, hatte ihn für ihn eingenommen und war ein zusätzlicher Grund dafür gewesen, dass er sich für eine bessere Behandlung eingesetzt hatte. Bislang hatte es ihm an einem guten Vorwand gefehlt, sich zu Boabdil zu begeben. Schließlich war er der Gefangene seines Onkels und kein Gast auf einem Jagdausflug, und er hatte Don Diego durch ein allzu offen an den Tag gelegtes Interesse an Boabdil nicht noch mehr gegen diesen aufbringen wollen.
    Gonzalo begrüßte die Wachen vor Boabdils Turmzimmer mit einem kurzen Nicken und klopfte an die Tür. Als er keine Antwort bekam, klopfte er noch einmal vernehmlicher. Auch diesmal erfolgte keine Reaktion.
    »Mit Verlaub, Don Gonzalo«, brummte da eine der Wachen, »warum geht Ihr nicht einfach hinein? Schließlich ist es nur ein …«
    »Nur ein was?«, fiel Gonzalo ihm leise ins Wort. »Nur ein dahergelaufener Maure?«
    Der junge Mann errötete und trat beiseite. Gonzalo hielt den Blick weiter auf ihn gerichtet und klopfte noch einmal. Diesmal erscholl ein leises »Ja, bitte?« aus dem Inneren des Zimmers.
    Als Gonzalo die Tür öffnete, sah Boabdil ihn erstaunt an. »Ihr müsst entschuldigen, dass ich Euch dreimal habe klopfen lassen, aber normalerweise platzt hier jeder rein, wie es ihm beliebt!« Er verbeugte sich vor Gonzalo, wobei er mit der linken Hand grüßend Brust und Stirn berührte. Gonzalo erwiderte die Geste. »Friede sei mit Euch!«
    »Und Friede mit Euch«, erwiderte Boabdil und musterte ihn erstaunt.
    Gonzalo schloss die Tür hinter sich, ging zum mittleren der drei Turmfenster, warf einen kurzen Blick hinaus und drehte sich wieder zu Boabdil um. »Ich hoffe, Ihr seid mit Eurer Unterkunft zufrieden.«
    »Aus Eurer Frage schließe ich, dass meine Verlegung nach hier oben auf Euer Betreiben zurückgeht.«
    »Ist das die höfliche Umschreibung von: Nein, ich bin keineswegs damit zufrieden?«, fragte Gonzalo und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Auch um Boabdils Mundwinkel zuckte es, und schließlich lachte er auf. »Ich denke,

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