Die Maurin
leichter als wir mit unseren Rüstungen. Wenn sie uns jetzt entkommen, haben wir keine Chance mehr, sie einzuholen!«
Die Jagdleidenschaft seines Onkels steckte Gonzalo an. Er gab seinem Pferd die Sporen und meinte schon vor sich zu sehen, wie sein Onkel und er den kastilischen Königen Boabdil vorführten – und dieser grauenhafte Krieg endlich ein Ende fand.
Längst stand ihren Pferden der Schaum vor dem Maul, aber kurz bevor Boabdil mit seinen Getreuen in den Wald eintauchen konnte, konnten sie die Mauren stellen. Gonzalo zog sein Schwert und hieb auf einen der Leibwächter Boabdils ein. Der junge Mann wehrte den Schlag kraftvoll ab und hieb mit voller Wucht zurück.
»Reitet weiter, mein Gebieter«, rief er seinem Emir zu. »Flieht! Wir halten sie auf!«
Doch Boabdil riss sein Pferd herum und kam seinen Leibwächtern zu Hilfe. Gonzalo focht weiter mit dem Mauren, erwischte ihn am Bein, und als sich ihre Augen begegneten, musste er für den Bruchteil einer Sekunde an Zahra denken. Der Kerl sah ihr ähnlich. Seine Unachtsamkeit brachte ihm trotz seiner Rüstung eine tiefe Wunde im rechten Arm ein. Fluchend nahm er sein Schwert in die Linke und stieß es dem Pferd seines Gegners in den Hals. Das edle Ross brach röchelnd zusammen. Durch einen gewagten Sprung konnte der Maure verhindern, unter das Tier zu geraten. Sofort kam er wieder auf die Füße und hieb auf Gonzalos Bein ein. Gonzalo versuchte, ihn durch einen Fußtritt mit seinem Eisenschuh abzuwehren, doch der Maure wich ihm geschickt aus.
Er hörte seinen Onkel rufen: »Wir haben den Emir!«, und sowohl Gonzalo als auch sein maurischer Gegner drehten sich zu ihm um.
In der Tat zeigte Don Diegos Schwert auf Boabdils Hals.
»Lasst die Waffen sinken, wenn Euch etwas am Leben Eures Emirs liegt, dann schonen wir auch Euch!«, rief Gonzalo den Leibwächtern mit lauter Stimme im arabischen Dialekt Granadas zu.
Die Leibwächter ließen ihre Waffen sinken. Einzig Ali al-Attar kämpfte weiter. »Der Satan verfluche meine Söhne, wenn ich mich Euch ergebe!«, brüllte er und hieb weiter auf seinen Gegner ein. Don Diegos Ritter eilten ihrem Kumpanen zu Hilfe, und schließlich zeigten ihre Schwerter in einem geschlossenen Kreis auf Ali al-Attar.
»So ergebt Euch doch!«, rief Gonzalo ihm auf Arabisch zu, und auch Boabdil befahl ihm, die Waffe zu strecken. Ali al-Attar aber hob erneut das Schwert und stürzte auf einen der ihn bedrohenden christlichen Ritter los. Noch ehe seine Schwertspitze den Soldaten berührte, spaltete ihm einer der Christen mit seinem Schwert den Schädel. Ali al-Attar stürzte ohne jeden Seufzer mit einem seltsam anmutenden Lächeln im Gesicht. Seine Leiche rollte in den Genil und wurde von der Strömung mitgerissen.
15.
Granada
8 . April 1483
M ein Sohn ist gefangen genommen worden?« Aischa schwankte, fing sich aber sofort wieder.
Der Bote nickte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nicht nur sein Pferd, sondern auch er hatte sein Letztes gegeben, um möglichst schnell nach Granada zurückzukommen. »Auch alle seine Leibwächter sind gefangen worden. Einzig Salim hat zuvor den Tod auf dem Schlachtfeld gefunden, er und …«, beklommen sah er zu Morayma, »… der große Ali al-Attar.«
Aischa machte eine unwillige Geste, die ihn zum Schweigen brachte, und wankte zum Fenster. Zahra ahnte, dass sie ihr Gesicht vor ihnen verbergen wollte; selbst sie konnte in einem Moment wie diesem ihre Gefühle nicht ganz unterdrücken. Sie bemerkte, wie Aischas Schultern erzitterten, sah, wie sie die Hand zur Faust ballte und gegen den Fensterrahmen schlug. Neben ihr weinte Morayma. Zahra zog die zierliche, kleine Frau an sich heran, woraufhin diese noch heftiger weinte und sich wie eine Ertrinkende an Zahras Hals klammerte.
»Scht, Morayma, ganz ruhig«, machte Zahra und wiegte Boabdils Frau in ihren Armen. »Zumindest ist er noch am Leben. Und denk an deinen Zustand; die Aufregung schadet deinem Kind!«
Gleich nach der Versammlung im Thronsaal vor vier Wochen hatte Aischa sie mit Morayma bekannt gemacht, die genauso alt war wie sie. Im Hause Ali al-Attars waren sie sich nie begegnet, was Zahra wunderte, wofür Morayma ihr aber eine plausible Erklärung gab: »Die Frauen meines Vaters waren sehr hässlich zu mir und hetzten schon seit Jahren gegen Boabdil, weil er sich nicht gegen seinen Vater erhob, sondern sich in den Bergen von Almería verbarg. Deswegen hat Mutter darauf bestanden, dass mein Vater mir eigene Gemächer zuteilt,
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