Die Maurin
schon. Aber ich wollte Euch nicht verletzen. Ich nehme an, Ihr hattet die edelsten Absichten.«
»Und warum seid Ihr trotzdem unzufrieden?«
Boabdil hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Ich – ich wäre lieber bei meinen Leibwächtern geblieben. Ich fühle mich für ihre Gefangennahme verantwortlich und möchte nicht besser gestellt sein als sie.«
»Und Ihr meint, es wäre deswegen nur gerecht, wenn Ihr deswegen hungert?«
»Nein, aber ich habe mich gefragt, wem ich in dieser Situation noch dienen kann, und bin dabei nur auf Euch und Euer Land gestoßen.« Boabdil sah ihn ernst an. »Ihr benutzt mich, um mein Land zu erpressen, und von all den traurigen Rollen, die ich in meinem Leben schon innehatte, erscheint mir dies als die erbärmlichste. Wenn ich meinem Land weder Frieden noch Siege schenken kann, dann will ich wenigstens nicht an seinem weiteren Niedergang schuld sein.«
»Seid Ihr sicher, dass Eure Anhänger das genauso sehen?«
Boabdil antwortete nicht, aber Gonzalo fiel ein Anflug von Bitterkeit in seinen Zügen auf. Seine Lage war in der Tat mehr als misslich.
»Außerdem braucht Ihr Euch keinen falschen Hoffnungen hingeben«, meinte Boabdil. »Niemand wird auch nur eine Unze Gold für mich zahlen!«
»Warum wartet Ihr das nicht einfach erst einmal ab – und nehmt in der Zwischenzeit wieder das Essen auf?«, schlug er vor. »Das Leben steckt bisweilen voller Überraschungen!«
Boabdil hob die Augenbrauen. Gonzalo tat einen Schritt auf ihn zu. »Ihr habt in unserem Land nicht nur Feinde. Erst wenn Ihr aufgebt, ist alles verloren, und ich will gern das Meine dazu beitragen, dass unsere Königin das richtige Bild von Euch bekommt – und die Chance erkennt, die sich aus einer Zusammenarbeit mit Euch für uns alle ergeben würde.«
»Warum?«, fragte Boabdil.
»Weil auch mir der Frieden am Herzen liegt«, erwiderte Gonzalo schlicht und reichte Boabdil die Hand. Nach kurzem Zögern schlug er ein.
Am Abend erschien vor den Toren der Stadt ein Maurentrupp mit weißer Fahne. Don Diego befahl seinen Wachen, einzig den Boten vorzulassen, da er einen Hinterhalt befürchtete. Als er hörte, dass der Bote einen Dolmetscher mitgebracht hatte, erlaubte er, auch diesen einzulassen und in sein Besprechungszimmer zu führen. Da er dem maurischen Übersetzer nicht zu trauen gedachte, rief er seinen Neffen.
»Und dass du mir auch ja jede Feinheit übersetzt«, verlangte Don Diego. »Und umgekehrt auch nichts von den Dingen auslässt, die ich zu sagen habe!«
Gonzalo versprach es, und sein Onkel befahl der Wache, die beiden Mauren eintreten zu lassen.
Als Gonzalo die beiden Gesandten sah, wunderte er sich. Er hatte einen weißbärtigen Faqih oder den ehrwürdigen Wesir für eine so wichtige Verhandlung erwartet, was diese beiden aber weder ihrer Kleidung noch ihrem Alter nach sein konnten. In der Tat stellte sich Ismail als Alcalde Granadas und Gesandter der Sultanin vor; über seinen noch jüngeren Begleiter sagte er nur, dass er für ihn übersetzen würde. Sein Spanisch war so holprig, dass ein Dolmetscher wahrlich vonnöten schien. Gonzalo sah zu dessen Begleiter, fragte sich, wieso er unter seinem Blick errötete, und nahm sich vor, ein Auge auf diesen Kerl zu haben.
Gonzalo stellte ihnen seinen Onkel vor, der sich nicht mehr als ein knappes Nicken abrang, und bat die beiden Mauren, an dem großen Tisch Platz zu nehmen. Die Gesandten setzten sich ans untere Ende, Don Diego an das obere. Gonzalo hoffte, dass die räumliche Distanz zwischen ihnen kein schlechtes Vorzeichen war.
Der Bürgermeister Granadas öffnete ein versiegeltes Dokument. »Wir bringen Euch eine Nachricht der Sultanin«, erklärte er in gebrochenem Spanisch und reichte das Schriftstück seinem Begleiter, den er auf Arabisch bat, Aischas Angebot vorzutragen. Zahra begann mit dünner Stimme die Botschaft ins Spanische zu übersetzen. Als Don Diego die Höhe des Lösegelds vernahm, das Aischa für ihren Sohn bot, und den Zuschlag, den sie für jeden seiner Leibwächter zu zahlen bereit war, der mit ihm die Festung verlassen durfte, verzog er zwar keine Miene, bat aber Gonzalo, sich das Schreiben auch selbst einmal anzusehen. Gonzalo ließ sich das Schreiben reichen, wobei seine Finger für den Bruchteil einer Sekunde die des Dolmetschers berührten. Ihn durchlief ein angenehmes Schaudern, und er maß den Dolmetscher mit einem verstörten Blick, woraufhin dieser zu Boden sah und noch tiefer errötete als
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