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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Menschen denn nie aufhören, diesen Unsinn zu wiederholen? »Lasst mich mit diesem Ammenmärchen in Ruhe, es ist eine Lüge, nichts als eine verdammte Lüge!« Unwillig hielt sie Ismail ihr Schreiben hin. »Ich möchte, dass Ihr gleich morgen früh nach Baena aufbrecht und dem Marqués de Cabra mein Angebot überreicht.«
    Ismail hob die dichten Augenbrauen. »Ich spreche zwar Spanisch, aber nicht so gut, dass ich Feinheiten heraushören könnte, was in diesem Fall von Nutzen wäre.«
    »Dann nehmt Ihr eben einen Dolmetscher mit!«
    »Und zu wem habt Ihr genug Vertrauen, dass er nicht übersetzt, was er will, weil er sich insgeheim wieder Hassan auf den Thron wünscht?«
    Die Frage brachte Aischa für einen Moment aus dem Konzept.
    »Usama oder Mansur«, sagte sie schließlich, doch Ismail schüttelte den Kopf. »Usama halte ich nicht für zuverlässig genug, und Mansur ist bei den Kämpfen in den Dörfern vor Lucena schwer verletzt worden.«
    »Dann nehmt Ihr Taufiq mit«, entschied Aischa. »Seine Familie war mir immer treu ergeben. Er wird seine Aufgabe gewissenhaft ausführen.«
    Ohne Ismails Erwiderung abzuwarten, rief Aischa nach Kafur und befahl ihm, nach Taufiq zu schicken. So bemerkte nur Zahra die Zweifel, die in Ismails Augen aufflackerten.
     
    Noch am gleichen Abend stürmte Hassan mit seinen Truppen die Tore Granadas. Da in der Stadt die Nachricht von Boabdils Gefangennahme durch die ersten traurigen Heimkehrer von Lucena die Runde gemacht hatte, leisteten die Soldaten kaum Widerstand. Am nächsten Morgen drang Hassan in die Stadt ein, und anders als bei seinem letzten Angriff ergab sich ihm die Stadtbevölkerung diesmal ohne Gegenwehr. Als Aischa hörte, wie nah er der Alhambra war, raffte sie in aller Eile mit Hilfe ihrer Getreuen ihre und Boabdils Schätze zusammen und flüchtete in den Albaicín, wo sie einen eigenen Palast hatte, in dem sie sich verbarrikadierte. Am nächsten Morgen suchte Ismail Aischa dort auf und fragte sie, ob sie trotz allem an ihrem Plan festhielte.
    »Aber natürlich. Und sobald Boabdil frei ist, werden wir Hassan wieder aus der Stadt jagen!«
    »Und Taufiq?«, fragte Ismail. »Ist er mit Euch geflohen?«
    »Nein«, erwiderte Aischa irritiert. »Ich hatte mit ihm ausgemacht, dass er direkt zu Euch geht!«
    »Nun, dann ist er entweder von Hassan abgefangen worden, oder er hat es sich anders überlegt.« Ismail rieb sich über die Nase. »Gibt es in Eurem Haushalt hier sonst noch jemanden, den ich als Dolmetscher mitnehmen könnte?«
    Aischa schüttelte den Kopf, aber dann fiel ihr Blick auf Zahra. »Du wirst Ismail begleiten!«
    Zahra fuhr von ihrem Sitzpolster auf. »Aber Herrin«, stotterte sie. »Die Christen werden niemals eine Frau als Dolmetscher akzeptieren!«
    »Als du Boabdil hergeholt hast, hast du auch Männerkleidung getragen, und niemand hat Verdacht geschöpft. Warum soll uns das nicht noch einmal gelingen?«
    Unwillig krauste Ismail die Stirn. »Meine Gebieterin, nichts gegen Eure Hofdame und das, was sie für Euer Geschlecht schon geleistet hat, aber eine Verhandlung mit dem Marqués erfordert doch einiges an Sachkenntnis und …«
    »Zahra versteht mehr von der Politik dieses Landes als so mancher der ständigen Berater meines Sohnes«, schnitt Aischa ihm das Wort ab. »Und an Mut nimmt sie es allemal mit ihnen auf!«
    Aischas Lob, noch dazu ausgesprochen vor einem Dritten, ließ Zahra erröten, aber es machte ihr auch Mut. Hatte sie in den letzten Jahren nicht schon viel kniffligere Aufgaben lösen müssen als diese? Mit ein bisschen Glück könnte sie in Baena außerdem auch etwas über Raschid herausfinden. Sie erhob sich und nickte Aischa zu. »Ich bin bereit, meine Gebieterin.«
    Ismail stieß einen Schwall Luft aus, sagte aber nichts mehr. Schon eine Stunde später brachen sie auf.
    Keiner der Soldaten ihrer Eskorte ahnte, dass unter dem Turban des wortkargen Dolmetschers eine junge Frau steckte, und Ismail tat sein Möglichstes, dass dies auch sein und Zahras Geheimnis blieb. Unter dem Vorwand, dass der Dolmetscher gerade erst eine schwere Stimmbandentzündung hinter sich habe, verbot er den Soldaten, das Wort an ihn zu richten, um ihn nicht zu unnötigem Sprechen zu verleiten, und teilte sich sein Zimmer in den
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mit Zahra, wo er so lange Sprechübungen mit ihr machte, bis es ihr gelang, ihre Stimme so tief wie die eines Mannes klingen zu lassen. Sie beide wussten, dass es unschicklich war, dass sie mit Ismail in einem Zimmer nächtigte, aber

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