Die Maurin
mich bald oft genug getreten?«
»Verzeiht«, stotterte Zahra und wagte nicht, sich zu rühren. »Aber ich … Es ist so dunkel hier. Und wo bin ich überhaupt?«
»Im Paradies, Herzchen«, krächzte eine Frauenstimme weiter hinten. »Und wir sind die süßen Engelchen!«
Von allen Seiten erklang höhnisches Gelächter. Es hallte von den Wänden wider. Aus Angst, die Frau noch einmal zu treten, ließ sich Zahra wieder zu Boden sinken. Unter sich spürte sie kalten, feuchten Lehmboden. An ihrer Hand huschte etwas Pelziges vorbei. Zahra zog die Beine bis an die Brust, schlang die Arme um die Knie und biss sich auf die Finger.
4.
Zahara
25 . November 1484
W ütend zerknüllte Gonzalo den Brief seiner Königin. Schon längst war der überwiegende Teil der Truppe von Zahara nach Córdoba zurückgekehrt; nur er und sein Bruder Jaime mussten noch immer hier ausharren, angeblich, um auf die Sicherung der Stadt zum Schutz vor einer Rückeroberung der Mauren ein Auge zu haben, dabei waren aus dem Umland inzwischen genug Soldaten angeworben worden, um ihre Anwesenheit überflüssig zu machen. Dies hatte er Isabel auch geschrieben, doch auch diesmal hatte sie seine und Jaimes Rückkehr abgelehnt. In ihrem Brief hatte sie keinen Hehl daraus gemacht, dass er sie mit seiner Bitte um ihre Unterstützung für den Ehedispens verstimmt hatte:
»Euer Bruder Alonso hat sich bei der Stiftung dieser Ehe sehr für Euch eingesetzt, und Eure Gemahlin steht meinem Haus so nah, dass mich Euer Ansinnen, die Ehe wegen Eurer Verwandtschaft und der fortgesetzten Kinderlosigkeit annullieren zu lassen, nur empören kann.«
Sie hatte ihn aufgefordert, zur Vernunft zu kommen, woraufhin er ihr mitgeteilt hatte, dass sein Entschluss, diese Ehe nicht fortzusetzen, feststehe, auch wenn er zutiefst bedauere, damit ihren Unmut zu erregen. Aber dass sie nun weiter darauf beharrte, dass er noch immer in Zahara blieb … Glaubte sie wirklich, sie könne ihn damit umstimmen? Noch mehr erboste Gonzalo, dass er nicht wagen konnte, Zahra wenigstens eine Nachricht zukommen zu lassen, weil er befürchten musste, dass diese Isabel und Torquemada in die Hände fiel. Das Bild, wie sie blumengeschmückt auf der Wiese im Park lag, hatte sich in ihm festgebrannt. Das schillernde Blau ihrer Augen, das im Kontrast zu ihren tiefschwarzen Haaren und ihrer hellen Porzellanhaut stand … Jedes Mal wenn er sie wieder vor sich sah, wurde ihm heiß, und er sehnte sich danach, sie an sich zu ziehen.
Missmutig stapfte er zu seinem Bruder, der vor dem Stall in der Sonne sein Pferd striegelte. Noch ehe er dazu kam, ihm von Isabels Brief zu erzählen, herrschte dieser ihn an: »Jetzt weiß ich endlich, warum wir noch immer in diesem Drecksnest festsitzen. Du bist bei Isabel wegen einer Bitte um Ehedispens in Ungnade gefallen!«
Er warf den Striegel auf den Boden, zerrte einen Brief aus seinem Brustbeutel und streckte ihn Gonzalo wütend hin. »Hier, lies selbst: Isabel schreibt, ehe ich dich nicht zur Räson gebracht habe, wolle sie keinen von uns beiden am Hof sehen! Warum muss ich auf diesem Weg erfahren, dass du deine Ehe aufheben lassen willst? Und hast du dir eigentlich mal überlegt, welche Folgen dieser Dispens für Alonso hätte? Die Handelsbeziehungen der Familie deiner Frau haben ihm in den letzten Jahren zu beachtlichem Wohlstand verholfen, und Alonso lässt uns daran nicht gerade wenig teilhaben! Mann, hast du unserer Familie nicht schon genug Ärger eingebrockt? Erst bringst du mit deinem Maurengerede die Königin gegen uns auf, dann weigerst du dich, mit Boabdil zu verhandeln, und jetzt das!«
Während sein Bruder ihn beschimpfte, las Gonzalo ruhig den Brief. Danach sah er zu Jaime auf. »Es tut mir leid, euch da mit reinzuziehen, aber ich kann nicht anders.«
»Natürlich kannst du anders: Bleib verheiratet, so einfach ist das! Hinter dem Ganzen steckt doch gewiss ein Weib. Wer ist es? Reicht ihr nicht der Status der Geliebten? Dann mach sie mit Geschenken mundtot. Mann, das halten alle so!«
Gonzalo sah seinen Bruder an, schüttelte den Kopf und ließ ihn wortlos stehen.
Zahra saß bereits seit über einem Monat mit den anderen fünfzehn Frauen im Kerker ein und wusste noch immer nicht, was man ihr vorwarf. Sie fragte sich, ob ihre Liebesnacht mit Jaime der Grund für ihre Verhaftung war oder ob jemand Hayat und sie im Park beobachtet hatte und womöglich auch ihre Halbschwester in so einem dunklen, feuchten Loch saß. Nicht weniger Angst machte ihr
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