Die Maurin
der Gedanke, dass Gonzalos Betreiben für den Ehedispens zu ihrer Einkerkerung geführt haben könnte. Wenn Isabel ahnte, dass er seine Ehe ihretwegen auflösen wollte, war auch er in Gefahr. Oder hatte Ahmed eine unbedachte Äußerung gemacht, die den Unmut Torquemadas gegen sie zum Überschwappen gebracht hatte? Wollte Torquemada Boabdils Sohn möglicherweise ganz für sich haben, damit er ihm endlich unwidersprochen seine Lügen über die angeblich barbarischen Maurenheiden einpflanzen konnte? Über all diesen Fragen war sie so manches Mal in Weinen ausgebrochen, bis die Frauen ihr zu verstehen gegeben hatten, dass sie ihr Jammern nicht hören wollten. »Wir haben genug eigene Probleme. Da brauchen wir nicht auch noch das Geflenne einer verfluchten Heidin!«
Hinzu kam die Sorge um Ahmed. Wie mochte es ihm gehen? Wer kümmerte sich jetzt um ihn? Die Vorstellung, dass er glauben könne, sie habe ihn im Stich gelassen, war ihr unerträglich. Zudem litt Zahra nach wir vor unter Übelkeit, was die Frauen, die mit ihr zusammen eingepfercht waren und den Geruch ihres Erbrochenen ertragen mussten, noch mehr gegen sie aufbrachte.
»Wenn du alles wieder rauskotzt, kannst du uns auch gleich dein Brot geben«, zeterten sie, bis eine von ihnen auf den Gedanken kam, dass Zahras Übelkeit eine höchst natürliche Ursache haben könnte. Im matten Schein des durch ein kleines, vergittertes Oberlicht dringenden Tageslichts kroch die Alte zu Zahra und fragte sie, wann sie zum letzten Mal ihre Blutung gehabt habe. Da fiel es auch Zahra wie Schuppen von den Augen, und sie schlug entsetzt die Hände vor das Gesicht. Ein uneheliches Kind zu erwarten war in den Augen der Mauren eine noch weit größere Schande als für die Christen. Eine solche Frau hatte auf immer ihre
ird,
ihre Ehre, verloren, und die zählte bei ihnen weit mehr als das Leben einer Frau. Sie wusste, dass sie, auch wenn ihr Verhältnis mit ihrem Vater derzeit nicht so angespannt gewesen wäre, niemals auf seine Hilfe oder auch nur seine Duldung ihres Zustands hoffen konnte. Im Gegenteil. Er und ihre Brüder wären sogar verpflichtet, sie zu töten, um die durch sie beschmutzte Familienehre wiederherzustellen, wenn sie nicht den Rest ihres Lebens der Verachtung und dem Gespött ihrer Landsleute ausgesetzt sein wollten. Die Tatsache, dass sie ein uneheliches Kind erwartete, bedeutete in ihrem Land, dass die Männer der Familie nicht genug Stärke besaßen, um sie zu kontrollieren, weswegen auch sie ihr Gesicht und ihre Ehre verloren. Stöhnend ließ Zahra den Kopf auf die Knie sinken. »Mein Gott, was soll ich nur tun?«
Sanft schob die Alte ihre Hand unter Zahras Kinn und hob ihren Kopf wieder an. »Aber, aber, meine Kleine. Sicher wird dich der Vater deines Kindes bald hier rausholen und heiraten – so schön, wie du bist!«
»Aber der Vater meines Kindes liebt mich doch gar nicht«, presste Zahra hervor. »Und selbst wenn er es täte, würde mich auch das nicht retten, weil ich nach den Gesetzen meines Landes gar keinen Christen heiraten darf!«
»Zumindest wird dich das Kind in deinem Leib fürs Erste davor bewahren, gefoltert oder zum Tode verurteilt zu werden – von daher ist das Kind auf jeden Fall ein Geschenk Gottes«, beharrte die Alte, aber auch das konnte Zahra nicht beruhigen. Welchen Unterschied machte es, ob sie ihr Leben vor oder nach der Geburt des Kindes, ob sie es durch die Hand der Christen oder durch die ihrer eigenen Familie verlor … Mit zitternden Händen strich sie ihr Haar zurück, schloss die Augen und versuchte, der Panik in ihr Herr zu werden.
In den nächsten Tagen kamen sie und die alte Frau sich näher, so dass Zahra sie zu fragen wagte, warum man sie eingesperrt habe. »Sie behaupten, ich sei eine Hexe«, flüsterte sie ihr zu, »weil ich die Frauen ihre ungeborenen Kinder verlieren lassen kann und Mittel kenne, die Frauen ihren Männern unter das Essen mischen können, damit es sie noch öfter oder auch gar nicht mehr nach ihnen verlangt.«
»Könnt – könnt Ihr das nicht auch für mich tun?«, fragte Zahra. »Ich meine, das mit dem Kind …« Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, durchfuhr sie ein heißer Schreck, und ihre Hand glitt unwillkürlich auf ihren Bauch. Die Alte maß sie mit einem langen, prüfenden Blick, dem Zahra mit pochendem Herzen standhielt, und schüttelte schließlich den Kopf. Zahra rieb sich über den Hals, schluckte, bedrängte sie aber nicht weiter.
»Wie – wie geht das hier denn jetzt
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