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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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für Euch weiter?«, fragte Zahra kurze Zeit später. Ihre Stimme klang belegt.
    »Sie haben letzte Woche mit den Verhören begonnen, und was danach kommt …« Die Alte zuckte mit den Achseln. »Eigentlich ist es mir gleich. Ich habe mein Leben gelebt und ständig so heftige Gliederschmerzen, dass sie mir sogar einen Gefallen täten, wenn sie mich davon erlösen. Nur die Folter macht mir Angst.«
    Zahra warf einen Blick auf ihre Hände. Die Gelenke waren rot und stark geschwollen, sie wirkten seltsam verformt, als hätte jemand an ihnen herumgebogen und sie wären in dieser seltsam verdrehten Stellung verblieben. Sanft strich sie darüber. »Aber wenn Ihr eine Hexe wärt – würdet Ihr dann nicht zuerst Euch selbst heilen?«
    »Die Herren Inquisitoren sind nicht eben bekannt dafür, dass sie naheliegende Schlüsse ziehen!« Die Alte hob vielsagend die Augenbrauen und legte ihre alten, verkrüppelten Hände über Zahras junge, wohlgeformte. »Hör zu, ich mag dich und würde dir gern helfen, aber ich täte dir keinen Gefallen, wenn ich dir dein Kind austreibe, denn in deinem tiefsten Inneren möchtest du das nicht. Außerdem weißt du noch nicht einmal, was sie dir vorwerfen. Ich habe keine Ahnung, ob du je wieder lebend hier herauskommst, aber ich weiß, dass du dieses Kind in deinem Bauch heranwachsen fühlen und in den Armen halten willst – und wäre es das Letzte, was man dir in diesem Leben zu tun erlaubt.«
    »Aber was soll denn dann werden?«, presste Zahra hervor. »Und wenn sie es töten?«
    »Das werden sie nicht«, erwiderte die Alte. »Sie werden es am Leben lassen, und an nichts anderes solltest du denken!«
    »Aber was werden sie mit ihm tun?«
    Die Alte stützte sich am Boden ab und erhob sich mit mühsamem Ächzen; jeder ihrer Bewegungen war anzusehen, welche Schmerzen sie verursachte.
    »Conchita, bitte, Ihr wisst doch mehr«, bedrängte Zahra sie. »Was werden sie mit meinem Kind machen?« Doch weder Conchita noch eine der anderen Frauen, die der Maurin nach wie vor nicht trauten, gaben ihr eine Antwort.
     
    Das Kind … Nachdem Zahra die ersten Tage nur an ihre Familie und die Schande gedacht hatte, die sie mit ihrer Schwangerschaft über sie brachte, führten Conchitas Worte dazu, dass sie nun auch an das Kind selbst dachte. Bilder von der Geburt ihres kleinen Bruders zogen vor ihr auf, von seiner rosigen, herrlich duftenden Haut, seiner rührenden Hilflosigkeit, seinem ersten zaghaften Lächeln. Unsicher, ängstlich gar, legte sie sich die Hand auf den Bauch und wünschte sich auf einmal in der Tat nichts weiter, als ihr Kind wenigstens ein Mal in den Armen halten zu dürfen, und sie musste Conchita recht geben: Nein, sie würde es nicht ertragen, es zu töten. Und wenn Conchita sagte, dass die Christen dem Kind nichts zuleide tun würden …
    Sie musste an Jaime denken, seine meergrünen Augen, seine großen, zupackenden Hände. Was für ein Glühen hatten seine Berührungen in ihr ausgelöst, wie wundervoll war es gewesen, ihn in sich zu spüren. Jetzt musste sie den Preis dafür zahlen. Einen hohen Preis. Und doch wusste sie: Wenn er heute wieder vor ihr stünde, hätte sie ihm erneut nichts entgegenzusetzen. Sie fragte sich, ob auch Hayat und Miguel so füreinander empfanden. Aber warum fühlte Jaime nicht das Gleiche für sie? Seit jener Nacht war er niemals wieder zu ihr gekommen, hatte nicht einmal geschrieben.
    Wieder einmal musste Zahra an den Santon und die düstere Vorhersage denken, die er für ihr Leben und das ihrer Lieben getroffen hatte. Und sie verspürte Angst. Grauenvolle Angst.
     
    »Los, aufstehen und mitkommen!«
    Der Büttel hielt Zahra die Öllampe vor das Gesicht und trat ihr in die Rippen. Noch ehe sie richtig wach war, hatte er sie auf die Füße gezerrt und aus dem Kerker gestoßen. Er trieb sie hoch ins Erdgeschoss.
    »Wo bringt Ihr mich hin?«, rief Zahra ängstlich, doch der Büttel gab ihr nur einen weiteren Stoß, und sie landete in einem mit dicken Vorhängen verdunkelten Zimmer, das hinter dem Raum der wachhabenden Soldaten lag. Es schien das Verhörzimmer zu sein. An einem langen Tisch saßen ein kahlköpfiger Mann mit steinernem Gesicht, allem Anschein nach ein Richter, und sein Schreiber; zwei flackernde Öllampen zeichneten geisterhafte Schatten auf ihre Gesichter. Der Richter sah unwillig zu Zahra auf, gerade als habe er weder Lust noch Zeit, sich mit ihr zu beschäftigen.
    »Zahra as-Sulami?«, brummte er.
    Zahra nickte. Der Folterknecht boxte

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