Die Maurin
Stadt bedeutet noch lange nicht das Ende einer Herrschaft! Übrigens habe ich gehört, dass Boabdil inzwischen den Thron zurückerobert hat und sein Vater nach Málaga geflohen ist. Hassan soll gesundheitlich angeschlagen und inzwischen so gut wie blind sein. Sein Bruder az-Zagal trifft jetzt fast alle Entscheidungen. Für Boabdil und die Euren kann also noch immer alles gut werden. Beruhigt Euch und freut Euch jetzt erst einmal auf Euer Treffen mit Hayat!«
Zahra blickte an sich herunter. »Trägt Hayat auch diese schrecklich unzüchtigen Kleider und diese albernen Häubchen?«
Miguel nickte. »Wir wollen kein Risiko eingehen.«
»Heißt das, niemand ahnt, dass Hayat Maurin ist?«
»Nun ja …« Miguel kratzte sich an der Stirn. »Hayat sieht ja weit maurischer aus als Ihr, die Ihr eine kastilische Mutter hattet. Aber bisher haben wir alle damit beschwichtigen können, dass lediglich ihr Großvater Maure sei und der schon als junger Mann zum Christentum übergetreten wäre.«
Ein Schauer überlief Zahra. Wie tief waren sie gesunken, dass sie sich noch nicht einmal mehr zu ihrer Herkunft bekennen durften. Sie fragte Miguel nach Gonzalo.
»Er ist noch in Zahara. Auch ich bin erst letzte Woche zurückgekommen. Er und seine Brüder haben die Kämpfe dort unversehrt überstanden. Gonzalo und Jaime sind noch dort, um die Stadt gegen mögliche Rückeroberungsversuche der Mauren zu sichern. Ich nehme an, sobald der neue Alcalde eine eigene Verteidigungstruppe aufgestellt hat, werden auch sie zurückkommen können.«
Die baldige Rückkehr Jaimes beunruhigte Zahra mehr, als die Aussicht auf das Wiedersehen mit Gonzalo sie beruhigte. Und sie erschrak über sich, als in ihrem Kopf die Frage aufklang, ob Jaime in Zahara außer maurischen Krummsäbeln auch weitere maurische Jungfernschaften geraubt hatte. Sie hasste sich dafür, dass sie sich trotzdem nach ihm sehnte.
»Ich fand Gonzalo übrigens sehr verändert«, fügte Miguel nach einem Moment noch hinzu.
»Was meint Ihr damit?«
»Nun ja«, Miguel suchte nach Worten. »Stiller, in sich gekehrt, noch schweigsamer als früher … Ich weiß nicht. Er kam mir bedrückt vor. Er hat mir erzählt, dass Ihr Euch hier einige Male unterhalten habt, und die Begeisterung, mit der er immer von Euch sprach, hat mich auf den Gedanken gebracht, dass Ihr vielleicht mehr wüsstet.«
Zahra dachte an ihre letzte Begegnung mit Gonzalo. »Nein, mir ist nichts aufgefallen. Hat er keine Andeutungen gemacht?«
»Nun ja, nicht direkt, aber …« Miguel winkte ab. »Sicher sieht er das inzwischen alles schon wieder anders. Diese Schlachten können einem aufs Gemüt schlagen, und dann kommen einem schon mal seltsame Ideen.«
»Seltsame Ideen?«, hakte Zahra nach.
»Er will den Papst um Ehedispens bitten und hat Isabel gebeten, seinen Antrag zu unterstützen.« Miguel strich sich verlegen die Haare aus der Stirn. »Mein Gott, wahrscheinlich sollte ich gar nicht mit Euch darüber reden, wenn Euch Gonzalo nichts davon gesagt hat. Obwohl ich dachte, so vertrauensvoll, wie er immer von Euch gesprochen hat …« Er schlug sich vor die Stirn und lachte auf, doch sein Lachen klang alles andere als froh. »Er – Ihr … Also, nicht dass es mich etwas anginge, aber … Nein, oder?«
Zahra war nicht weniger verwirrt als er. Noch einmal ließ sie ihre letzte Begegnung vor ihrem inneren Auge ablaufen. Jetzt erinnerte sie sich auch an diese Hingerissenheit in seinem Blick, an das Verlangen und an diesen seltsamen Schlusssatz von ihm, dass er vielleicht eine Lösung für sie habe und sie ihm Glück wünschen solle … Sie schüttelte den Kopf. »Nein!«
Sie war selbst erschrocken, wie laut ihr Nein durch den Raum hallte. War wirklich denkbar, dass er seine Ehe ihretwegen annullieren lassen wollte? Ein solches Verhalten würde zu ihm passen. Niemals würde er, der so hohe moralische Ansprüche an sich und andere stellte, sich einer Frau nähern, wenn er nicht auch in der Lage wäre, das Ganze so ritterlich zu Ende zu führen, wie es seinen sittlichen Grundsätzen entsprach. Aber wenn er seine Ehe annullieren ließ, annullieren wegen ihr … Zahra wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken.
»Also doch«, stöhnte Miguel.
Zahra konnte ihn nur ansehen und den Kopf schütteln, doch es war, als bewege jemand anderes ihren Kopf, jemand, der nicht wollte, dass es wahr war.
»Ich bin sicher der Falsche, Euch daran zu erinnern, dass Verbindungen zwischen Mauren und Christen gegen die Gesetze
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