Die Maurin
verstoßen und dass Torquemada, wenn er erst einmal mit den Juden fertig ist, sicher bei den Mauren weitermachen wird.« Er stieß einen Schwall Luft aus. »Aber bei Gonzalo und Euch liegt der Fall noch viel komplizierter als bei Hayat und mir. Jeder hier weiß, dass Ihr Maurin seid, und dann gibt es da auch noch die Königin! Habt Ihr noch nie beobachtet, mit welchen Blicken Isabel Gonzalo bisweilen ansieht? Er ist der treu ergebene Mann an ihrer Seite, während der ihr angetraute alle Jahre einen weiteren Bastard zeugt. Schon Gonzalos Weigerung, Boabdil die Bedingungen für den Vertrag zwischen den Christen und den Mauren schmackhaft zu machen, hat Isabel zutiefst verstimmt, aber wenn Gonzalo seine Ehe annullieren lassen will – eine Ehe, die, wie jeder weiß, nur auf dem Papier besteht –, kann sich Isabel an den fünf Fingern abzählen, dass er dies wegen einer anderen Frau macht, einer Frau, die ihm alles bedeuten muss – und das wird sie ihm nie verzeihen!«
Zahra wurde flau. »Ihr müsst ihm das ausreden!«
Miguel hob die Augenbrauen. »Ich befürchte, dass Euer Wort in diesem Fall mehr als das meine wiegen würde.«
Zahra wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wusste überhaupt nichts mehr. Gonzalo … Jaime … Ahmed … Torquemada … Isabel … Alles drehte sich um sie.
Miguel strich ihr über den Arm. »Wir müssen zurückgehen, sonst fällt noch jemandem auf, wie lange wir beide fort sind!«
Zahra wusste nicht, wie sie es ertragen sollte, sich wieder unter die Menschen zu begeben und womöglich auch noch Isabels Blicken zu begegnen. »Das alles erscheint mir wie ein Alptraum, der immer noch ein bisschen schlimmer wird«, stöhnte sie.
Miguel drückte ihr mitfühlend die Hand. »Seid morgen Nachmittag im Park. Ich versuche, mit Hayat zu kommen!«
Am nächsten Morgen fühlte sich Zahra so elend, dass sie auch unter Aufbietung all ihrer Willenskraft nicht in der Lage war, den Katechismusunterricht wahrzunehmen. Verstimmt bot der Pater ihr an, für sie nach dem Arzt zu schicken, doch Zahra schüttelte den Kopf. »Ich kenne das«, behauptete sie. »Das geht von allein wieder weg!«
Als er gegangen war, nahm sie Ahmed zu sich ins Bett und unterhielt ihn mit Geschichten, die Tamu ihr und ihren Geschwistern erzählt hatte, als sie klein gewesen waren, und war ausnahmsweise einmal froh, als Torquemada kam, um den Jungen abzuholen. Gegen Mittag fühlte sie sich etwas besser. Sie zog ihre christlichen Kleider an, ging in den Park und setzte sich auf eine der Bänke im hinteren Teil des Gartens. Mit sehnsüchtigem Blick hing sie an dem Palastausgang. Hayat, dachte sie immer wieder, ach, Hayat, komm, komm doch bitte!
Ewigkeiten schienen Zahra vergangen zu sein, als eine kleine, dunkelhaarige Frau in einem weinroten Kleid und mit einem adretten Häubchen in den Park trat. Scheinbar müßig schlenderte sie an den Beeten vorbei und schnupperte an den letzten Rosenblüten des Jahres. Zahras Herz schlug bis zum Hals, aber genau wie Hayat es nicht wagte, auf direktem Wege zu ihr zu gehen, wagte auch sie nicht, zu ihr hinzulaufen. Zu groß war die Angst, beobachtet zu werden. Sie bezähmte ihre Ungeduld und wartete, bis Hayats Weg sie zu ihr führte. Bei den Hibiskussträuchern blieb Hayat stehen und umfing Zahra mit innigem Blick. »Ach, Zahra, ich …« Vor Ergriffenheit konnte sie nicht weitersprechen.
Zahra nickte ihr diskret zu. »Ich weiß!«
Hayat und Zahra verbargen sich hinter den Sträuchern und umarmten sich.
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue, dich gesund wiederzusehen«, seufzte Zahra.
»Und ich erst!« Hayat küsste ihre Hände.
»Aber jetzt erzähl: Wie geht es dir? Bist du glücklich mit Miguel? Und wie behandeln dich die Christen?«
Hayat blinzelte ein paar Tränen weg und lächelte. »Mir geht es gut, sogar unbeschreiblich gut. Miguel ist ein wundervoller Mann!«
Zahra fiel die leichte Wölbung unter Hayats Kleid auf. »Sag nicht, du erwartest …«
»Es ist sogar schon das zweite!«, fiel Hayat ihr freudig ins Wort. »Wir haben bereits einen kleinen Sohn!«
Zahra fiel ihrer Halbschwester erneut um den Hals. Schnell erzählte Hayat, was sie von Amina über ihre Familie erfahren hatte. Im Gegensatz zu Zahra, die bereits seit zwei Monaten keine Nachrichten mehr von zu Hause erhalten hatte, war sie im Besitz eines erst wenige Tage alten Briefs. »Amina schreibt, Mahdi entwickele sich prächtig und würde Mutter von seinem Wesen her von Tag zu Tag
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