Die Maurin
wäre!«
»So genial war dein Versteck hinter dem Orangenbaum im Löwenhof nun auch wieder nicht!«
Unwillkürlich wich Zahra einen Schritt zurück und strich sich über die eng gewordene Brust. »Was führst du im Schilde?«
»Das wirst du schon noch merken. Für den Moment lass dir eines gesagt sein: Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt genießt. Und das solltest du auch deinem heißgeliebten Bruder ausrichten!«
Die Verunsicherung und Furcht in Zahras Augen schienen Yazid für den Moment Lohn genug zu sein.
»Und mit dir bin ich auch noch nicht fertig, Schwesterherz!«, zischte er Hayat an, drehte sich um und verließ das Zimmer.
Als die Tür hinter ihm zuschlug, griff Hayat nach Zahras Hand. »Was hat er vor?«, rief sie bang.
Mit zitternden Fingern strich sich Zahra das Haar zurück. »Ich weiß es nicht. Vielleicht wollte er sich nur großtun, weil er vorhin gegen Raschid bei Vater den Kürzeren gezogen hat. Du kennst ihn doch. Wenn sich Yazid nicht wichtig machen kann, fehlt ihm was!«
Hayat sah sie zweifelnd an, und Zahra musste sich eingestehen, dass sie selbst nicht an ihre Worte glaubte. Wenn Yazid sie so deutlich warnte, hatte er mit Sicherheit einen konkreten Plan. Sie fühlte sich wie ein Hase, vor dessen Bau ein Fuchs auf der Lauer liegt und dem auch alle anderen Fluchtwege abgeschnitten sind. Fieberhaft überlegte sie, was Yazid ausgeheckt haben könnte. Und ausgerechnet er hatte ihren Schutzring …
Trotz ihrer Beklommenheit zwang sich Zahra, Hayat zuliebe die Ruhe zu bewahren. Sie nahm wieder ihren alten Platz ein. »Na komm, vergessen wir Yazid und essen lieber, ehe alles kalt ist!«
Ein paar Bissen konnte Zahra tatsächlich zu sich nehmen, aber dann hatte sie das Gefühl, dass ihr etwas die Luft abschnürte. Sie erhob sich, ging zum Fenster, aber die Tatsache, dass man die Straße durch das Maschrabiya-Gitter nur in Facetten sehen konnte, verschlimmerte ihr Beklemmungsgefühl nur noch. Da sah sie, wie Yazid das Haus verließ. Mit eiligen Schritten lief er die Straße hoch und sah sich dabei immer wieder um, gerade als wolle er sichergehen, dass ihm niemand folgte. Zahra überlegte, ob Yazid in den wenigen Stunden, die zwischen seinem Streit mit Vater und Raschid und seinem Auftritt eben hier in ihrem Zimmer lagen, genug Zeit gehabt haben könnte, um etwas gegen die Pläne ihres Vaters und Raschids zu unternehmen. Eigentlich hielt sie dies kaum für möglich, aber was sonst steckte hinter seinem seltsamen Verhalten und seiner Drohung?
Die melancholische, gefühlvoll an- und abschwellende Stimme des Muezzins sank in die noch schlafenden Gassen Granadas, fand ihren Weg auch in Zahras Zimmer und erlöste sie von ihren schlechten Träumen. Der weithin tragende Sprechgesang rief die Gläubigen zum Gebet, dem morgendlichen
salat,
auf. Zahra wusste, dass sie und ihre Halbschwester gerade heute des Schutzes des Allmächtigen dringend bedurften, aber sie fand trotzdem nicht die Kraft, sich zu erheben und ihr Gebet zu verrichten. Sie konnte nur hoffen, dass der Allmächtige Verständnis dafür haben würde. Sie merkte, dass sich auch ihre Halbschwester neben ihr regte, und sah im morgendlichen Dämmerlicht, dass sie die Augen geöffnet hatte. Leise wünschte Zahra ihr einen guten Morgen. »Wie geht es dir?«
»Frag lieber nicht«, stöhnte Hayat und fügte nach einem kurzen Moment mit schwerer Stimme noch hinzu: »Ich habe die halbe Nacht kein Auge zugebracht, weil ich solche Angst habe, dass auch Leonor mein Verhalten unverzeihlich findet und Vater gar nicht umstimmen will …«
Zahra stützte sich auf und strich ihrer Halbschwester über das Haar, das sich fächerartig um sie ergoss. »Mach dir nicht zu viele Sorgen. Leonor liebt dich wie ihr eigenes Kind und hat ein großes Herz!«
Verhaltenes Schluchzen ließ sie beide aufhorchen.
»Das ist doch Deborah …« Zahra setzte sich auf.
»Nein, Raschid, nein«, hörte sie Deborah draußen auf der Galerie flehen. »Du darfst nicht gehen, bitte, ich spüre doch, dass du in Gefahr bist!«
Zahra sprang aus dem Bett und wollte schon aus dem Zimmer laufen, aber dann hörte sie, wie außer Raschid auch ihre Mutter beruhigend auf ihre Schwägerin einredete. »Scht, mein Kind. So beruhig dich doch, deine Vorahnungen sind sicher nur schlechte Träume!«
»Liebling, mir kann gar nichts geschehen«, redete auch Raschid auf Deborah ein. »Schließlich reise ich nicht allein nach Sevilla, sondern unter dem Schutz unserer besten Soldaten.
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