Die Maurin
darum gebeten hat. Dein Vater hat sich gewundert, welch großen Wert sie auf deine Gesellschaft legt. Sie hat unserem Boten die dringende Bitte mitgegeben, dass du möglichst bald wieder zu ihr kommst, und der kann sich dein Vater kaum entziehen. Auch mich hat erstaunt, wie viel ihr an deiner Anwesenheit liegt.«
Zahra spürte Leonors prüfenden Blick auf sich und trank rasch einen großen Schluck Mandelmilch.
Kaum war Leonor gegangen, schlich Deborah in Zahras Zimmer. Ihre Augen waren noch immer gerötet. »Darf ich bei dir warten, bis Raschid zurück ist? Ich kann jetzt nicht allein sein!«
Zahra zog sie zu sich auf die Sitzpolster. »Da brauchst du doch nicht fragen: Du bist mir immer willkommen!«
Sie ließen sich von Tamu ihre Sticksachen bringen, um auf andere Gedanken zu kommen, doch auch die Arbeit konnte sie nicht lange ablenken. Nach Zahra legten bald auch Hayat und Deborah ihre Nadeln wieder aus der Hand. Eine Weile unterhielten sie sich über Belangloses, dann verfielen sie in gedankenvolles Schweigen. Obwohl das Zimmer dank des Holzkohleofens gut durchwärmt war, fröstelte Zahra. Immer wieder stand sie auf, um im Zimmer umherzugehen, und schließlich begannen ihre Halbschwester und ihre Schwägerin es ihr gleichzutun. In ihnen allen pochte die gleiche Angst, doch keine wagte, sie beim Namen zu nennen.
Als Tamu das Mittagessen brachte und ihnen bewusst wurde, dass die zwei Stunden, die Raschid fortbleiben wollte, längst vergangen waren, brach Deborah in Tränen aus. »Wo bleibt Raschid nur? Er wollte nach dem Gespräch beim Emir direkt wieder nach Hause kommen!«
»Vielleicht gab es mit dem Emir noch mehr zu besprechen, als er dachte«, versuchte Zahra sie zu beruhigen.
»Ich hoffe nur, dass Yazid ihm nicht mit seinem verrückten Zahara-Plan in die Quere gekommen ist«, murmelte Hayat.
Sie fielen zurück in ihr Schweigen, bis Tamu kam, um die Teller abzuräumen.
»Aber Ihr habt ja nichts gegessen!« Mit vorwurfsvollem Blick stemmte sie ihre sonnengegerbten Hände in die Seiten.
»Hat Vater endlich Nachricht erhalten, warum Raschid so lange ausbleibt?«, fragte Zahra.
Tamu verneinte. »Jetzt quält Euch nicht: Was soll Eurem Bruder hier in Granada schon groß geschehen?«
Die drei Frauen blickten sich an, und Zahra sah an dem Grauen in den Augen der anderen, dass sie das Gleiche dachten. Erschrocken erhob sie sich und trat zum Fenster. Sie machte sich die größten Vorwürfe, dass sie Raschid nicht sofort von Yazids Drohung erzählt hatte …
Selbst am Abend war Raschid noch nicht zurück. Zahra wusste von Tamu, dass Abdarrahman einen Boten zur Alhambra geschickt hatte. Auch ihm war das lange Ausbleiben seines Sohnes nicht geheuer. Wenig später hörte sie, wie es an der Haustür klopfte, und ging auf der Galerie in Lauerstellung. Tamu führte einen Boten in das Arbeitszimmer ihres Vaters. Obwohl Zahra angespannt lauschte, konnte sie nicht verstehen, was in dem Zimmer gesprochen wurde. Nachdem der Bote das Zimmer wieder verlassen hatte, tauschte Zahra einen Blick mit Hayat und Deborah. Als die beiden ihr zunickten, stieg sie ihnen voran die Treppe herab. Während Hayat im Patio zurückblieb, folgte Deborah Zahra zu Abdarrahmans Arbeitszimmer. Zahra klopfte an.
»Was gibt es?«, rief Abdarrahman ungehalten.
Deborah öffnete die Tür, aber nur so weit, dass sie gerade hineinsehen konnte. »Es ist wegen Raschid … Ich mache mir solche Sorgen. Habt Ihr etwas in Erfahrung bringen können?«
Zahra schob sich an ihrer Schwägerin vorbei ins Zimmer. »Raschid müsste doch längst zurück sein!«
Abdarrahman erhob sich von seinem massiven Eichenschreibtisch und lief einmal hin und her, ehe er ihnen mit dunkel umwölkter Miene antwortete. »Ich weiß nicht, wo Raschid steckt. Die Alhambra jedenfalls hat er schon am frühen Morgen verlassen.«
Ohne sie noch einmal anzusehen, ging er aus seinem Zimmer und rief nach seinem Diener. »Zubair, bring mir meinen Umhang und lass mir ein Pferd satteln. Ich muss selbst mit dem Emir reden!«
Zahra, Deborah und Hayat wandten sich zum Wohnraum im Erdgeschoss, wo sich auch Leonor und Zainab aufhielten. Zainab stickte in einer Ecke an der Bordüre eines neuen Hi-dschabs, Leonor hatte sich auf den Diwan gelegt. Ihr schmales Gesicht war noch blasser als am Morgen. Zahra sah ihre Mutter flehend an. Noch ehe sie Leonor bitten konnten, trotz des Zimmerarrests hier bleiben zu dürfen, nickte diese ihr zu und streckte Deborah die Hand entgegen. Deborah
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