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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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ergriff sie, setzte sich zu ihr und bettete den Kopf in ihren Schoß.
    »Ach, mein Kind«, seufzte Leonor und strich Deborah über ihr glänzendes, schwarzes Haar. »Mach dir keine Sorgen. Raschid kommt bestimmt gleich nach Hause.«
    Das Beben in der Stimme ihrer Mutter schnürte Zahra den Hals zu. Sie ließ sich mit Hayat auf den Sitzpolstern neben dem Diwan nieder und biss sich auf die Lippen.
    Eine Stunde später kam Abdarrahman zurück. Gegen seine sonstige Angewohnheit herrschte er eine Dienerin an, ihm endlich den Umhang abzunehmen, und fragte sie barsch, wo er seine Frau fände.
    »Im Wohnraum, Herr, im Wohnraum«, stotterte die Magd eingeschüchtert.
    Abdarrahman polterte durch den Patio und stürmte in das Zimmer. Die Ader auf seiner Stirn war zum Platzen dick mit Blut gefüllt, in seinen Augen tobte schwarze Wut. Unwillkürlich rückte Zahra näher zu Hayat. Ihre Mutter stützte sich auf, schien aber nicht die Kraft zu finden, um aufzustehen oder sich auch nur aufzusetzen. Ihr Gesicht war weiß wie die Wand.
    »So rede doch schon«, stieß sie mit angstvoll geweiteten Augen hervor. »Wo ist Raschid?«
    Deborah nahm ihre Hand und drückte sie so fest, dass Leonors Knöchel weiß hervortraten.
    »Rede, Abdarrahman, rede!«
    Die helle Panik in der Stimme ihrer Mutter trieb Zahra die Tränen in die Augen.
    »Aus dem Staub gemacht hat er sich. Mein eigen Fleisch und Blut ist zu den Kastiliern übergelaufen!« Abdarrahmans Stimme fuhr wie ein Donnerschlag zwischen sie.
    In Leonors Augen trat trotzige Verzweiflung. »Nein, Abdarrahman, niemals würde Raschid das tun, und das weißt du auch!«
    »Du wirst dich genau wie ich damit abfinden müssen, dass es so ist!«, donnerte Abdarrahman weiter. »Der Emir hat Raschid heute früh mitgeteilt, dass er die Friedensverhandlungen aufschieben will. Yazid hat ihm nämlich noch gestern Nachmittag seinen verrückten Zahara-Plan unterbreitet, und das mit einem mächtigen Fürsprecher an seiner Seite: Sein Großvater war mit von der Partie. Du weißt, welch große Stücke Hassan auf den Vater meiner verstorbenen Frau hält. Niemand hat so viele Schlachten gegen die Kastilier gewonnen wie der berühmte Ali al-Attar.«
    »Und mit seiner Unterstützung war es für Yazid ein Leichtes, Hassan für seinen Plan einzunehmen«, erwiderte Leonor tonlos.
    Abdarrahman nickte. »Als Raschid von Hassan gehört hat, dass er vor den von ihm angestrebten Verhandlungen Zahara einnehmen will, ist es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen ihnen gekommen, und da Raschid merkte, dass er Hassan nicht umstimmen konnte, stürmte er voller Wut aus dem Palast – und das keine halbe Stunde, nachdem er dort angekommen war. Hassans Leibwächter haben mir bestätigt, dass Raschid die Alhambra lange vor dem Mittagsgebet verlassen hat, begleitet von zwei unserer Männer. Wo soll er sonst sein, wenn nicht bei den Kastiliern, um sie vor dem Überfall auf Zahara zu warnen? Als der Emir von mir erfahren hat, dass Raschid seit dem Morgen nicht nach Hause gekommen ist, hat er getobt und den Befehl gegeben, dass unsere Truppen gleich morgen früh Zahara angreifen. Mir hat er ausdrücklich verboten, an dieser Schlacht teilzunehmen. Ich kann es ihm nicht verdenken; auch ich wollte den Vater eines Verräters nicht unter meinen Kampfgenossen haben. Hassan geht davon aus, dass sie selbst dann noch eine reelle Chance haben, die Festung zu erobern, wenn Raschid dort vor ihnen eintrifft, weil der Alcalde von Zahara so rasch keine Verstärkung aus den umliegenden Gebieten bekommt. Und gnade Raschid, wenn sie ihn dort zu fassen bekommen!«
    Leonor sank zurück in die Kissen, Deborah begann zu weinen, und Zainabs Augen weiteten sich vor Entsetzen. Zahra merkte, wie Hayat ihre Hände ergriff, als wolle sie ihr bewusstmachen, dass sie nicht allein war. Für einen Moment nahm Zahra nichts anderes mehr wahr als den warmen Druck von Hayats Händen und Deborahs Wimmern. Die Zeit schien stillzustehen; niemand regte sich, niemand sagte ein Wort – und in ihrem Kopf pochte unaufhörlich Yazids Warnung. Und was, fragte sie sich bang, wenn Yazid hinter Raschids Verschwinden steckte? Diese Frage laut auszusprechen, wagte sie jedoch nicht. Ihr war bewusst, dass ihr Vater nicht in Stimmung für Ahnungen und nicht zu beweisende Verdächtigungen war. Ihre Mutter schob ihr Deborah zu, erhob sich und trat vor Abdarrahman. Noch nie war Zahra ihre Mutter so zerbrechlich erschienen, doch ihre Stimme klang fester und unerschütterlicher

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