Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
Vom Netzwerk:
Augen seines Halbbruders und seines Vaters entlockte Yazid ein triumphierendes Grinsen.
    »Bist du jetzt völlig verrückt geworden?«, rief Raschid. »Wenn eine Stadt in Kastilien uneinnehmbar ist, dann Zahara. Nicht umsonst nennen die Kastilier eine auch noch den verführerischsten Schmeicheleien der Männer unzugängliche Frau eine Zaharena!«
    »Wie schön, dass du dich in kastilischen Sitten und Gebräuchen so gut auskennst, aber das wird weder dir noch ihnen helfen. Unser Plan ist unfehlbar!« Yazid legte eine bedeutungsschwere Pause ein, ehe er weitersprach. »Wir haben herausgefunden, dass Zaharas Festung schwach besetzt und ihre Sicherung mehr als dürftig ist. Der neue Alcalde ist sich so gewiss, dass niemand die Festung anzugreifen wagt, dass er kaum noch Wachen aufstellt. Mit unserem Plan aber ist es ein Kinderspiel, ihm Zahara zu entreißen!«
    »Da täuscht ihr euch aber gewaltig«, widersprach ihm auch Abdarrahman. »Zahara liegt auf dem Kamm eines Felsengebirges und ist so sehr mit diesen Felsen verwachsen, dass es wirkt wie aus einem Guss gemacht. Selbst viele Straßen und Häuser sind bloße, in den Felsen eingehauene Aushöhlungen! Die Festung geht so hoch über die Klippen hinaus, dass man den Eindruck hat, sie liegt über dem Flug der Vögel, ja selbst über dem Zug der Wolken. Und sie hat nur ein einziges Tor: Es geht nach Westen und wird von hohen Türmen und Bollwerken verteidigt. Der einzige Weg, der zu dieser zackigen Feste hinaufgeht, verläuft über in Fels gehauene Stufen, die so steil sind, dass sie an manchen Orten zerbrochenen Stiegen ähneln. Jeder, der sich der Festung zu nähern versucht, verliert sein Leben, ehe er auch nur die Hälfte dieser Stufen erklommen hat!«
    »Ich habe ja auch nicht gesagt, dass wir Zahara von vorn angreifen wollen.«
    »Ach, dann habt ihr wohl das Fliegen gelernt?«, spottete Raschid.
    »Nein, aber das Klettern!« Er genoss es, seinen Vater und seinen Halbbruder für einen Moment sprachlos zu sehen.
    »Ihr wollt die Festung mit Kletterern bezwingen?«, rief Abdarrahman. »Ihr müsst wahnsinnig sein!«
    »Das werden wir ja sehen«, konterte Yazid.
    »Das werden wir nicht«, widersprach Abdarrahman und wirkte plötzlich sehr müde. »Morgen schicken wir drei Gesandte zu der christlichen Königin, damit sie ihr unsere Friedensvorschläge unterbreiten. Dein Krieg, Yazid, ist zu Ende, bevor er begonnen hat!«
    »Friedensvorschläge? Und wer führt diese Verhandlungen?«
    »Raschid.«
    »Du hast Raschid für diese Aufgabe vorgeschlagen?« Yazid ballte die Fäuste und sah von einem zum anderen. »Aber der wird uns den Christen mit Leib und Seele verkaufen!«
    »Yazid, komm endlich zur Vernunft!«
    »Ich bin bei Vernunft«, donnerte Yazid und warf seinem Halbbruder einen hasserfüllten Blick zu. »Aber das wollen wir doch noch einmal abwarten, wer morgen zu den Christen reitet: so ein feiges Verräterschwein wie du oder ein Kämpfer für den muslimischen Glauben wie ich!« Mit diesen Worten drehte er sich um und stürmte aus dem Haus.
    Abdarrahman blickte noch lange in die Richtung, in der er verschwunden war – das Gesicht unbewegt, aber die Augen dunkel vor Sorge.
    Raschid legte ihm die Hand auf den Arm. »Yazid kann nichts tun, um unsere Pläne zu vereiteln. Wir haben den Emir auf unserer Seite!«
    Abdarrahman seufzte und sah ihn an. »Ich weiß, mein Sohn, ich weiß. Und du weißt, dass ich vollstes Vertrauen zu dir habe und welche Mühe es mich gekostet hat, den Emir trotz des Einflusses von Isabel de Solís und anderen doppelzüngigen Ratgebern zu diesen Friedensverhandlungen zu überreden. Das darf nicht vergebens sein!«
    Er klopfte Raschid auf die Schulter und ging zurück in sein Arbeitszimmer, wo seine Frau und andere, nicht weniger belastende Probleme auf ihn warteten.

2.
    Granada
    10 . Dezember 1481
    D u bist schon wieder schachmatt, Hayat«, brummte Zahra und zeigte ihrer Halbschwester, welchen Fehler sie diesmal gemacht hatte. Obwohl sie merkte, dass Hayat ihr nur mit halbem Ohr zuhörte, führte sie ihre Erklärungen fort. Hauptsache, die Zeit verging, Hauptsache, sie waren beschäftigt – denn nur aus diesem Grund hatten sie sich das Schachspiel überhaupt bringen lassen. Ihr Vater hatte sich ihnen gegenüber noch immer nicht geäußert, und von Stunde zu Stunde konnten sie die Ungewissheit, wie er sich entscheiden würde, weniger ertragen.
    Erst als Zahra sah, dass Hayat Tränen in die Augen drangen, unterbrach sie ihre Erklärungen und

Weitere Kostenlose Bücher