Die Maurin
Und ich betrete das Land der Christen als Botschafter. Sie dürfen mir gar nichts tun!« In seiner tiefen Bassstimme schwang die große Liebe mit, die er für seine Frau empfand. »Deborah, für unsere Familie ist es eine große Ehre, dass der Emir mich für diese Aufgabe erwählt hat – und du weißt, wie viel auch mir selbst daran liegt, dass es endlich Frieden gibt. Vertrau mir, in wenigen Wochen bin ich zurück, auf jeden Fall vor der Geburt unseres Kindes. Jetzt gehe ich ohnehin erst mal nur zur Alhambra, um mit dem Emir die letzten Details zu besprechen. In spätestens zwei Stunden bin ich zurück!«
»Auch um eures Kindes willen darfst du dich jetzt nicht weiter aufregen«, hörte Zahra nun wieder ihre Mutter. Deborah schluchzte noch einmal auf, dann verstummte sie. Zahra nahm an, dass Leonor sie in den Arm genommen hatte, um ihr das Gefühl von Schutz und Wärme zu geben. Niemand konnte das besser als sie. Kurz darauf erklangen schwere Stiefelschritte auf der Treppe. Zahra musste sich eingestehen, dass auch sie kein gutes Gefühl hatte. Yazids Drohungen … Die ganze Nacht hatten sie seine Worte verfolgt. Sie ging zur Tür, schloss ihre Hand um den Türgriff, drückte sie aber nicht herunter. Wenn sie Raschid jetzt warnte, würde sich Deborah nur noch mehr Sorgen machen. Sicher war es besser, später, wenn er von der Alhambra zurückkehrte, unter vier Augen mit ihm zu reden. Das ungute Gefühl jedoch wollte nicht weichen …
Wenig später brachte Tamu ihnen ihr Frühstück. »Ihr braucht mich gar nicht erst zu fragen«, knurrte sie Zahra an. »Ich weiß noch immer nicht mehr als nur, dass Ihr weiter hier oben bleiben müsst!«
Zahra nickte und ließ sich mit Hayat auf den Sitzkissen nieder, die um das Tischchen herum lagen. Obwohl die frisch gebackenen Honigkuchen verlockend dufteten, konnte sie sich nicht dazu durchringen, davon zu kosten, sondern trank nur einen großen Schluck der gesüßten Mandelmilch. Auch Hayat schien keinen Appetit zu haben und zerteilte den Kuchen auf ihrem Teller in immer kleinere Bröckchen, ohne davon zu essen. Eine gute Stunde später betrat Leonor ihr Zimmer. Die dunklen Schatten unter ihren Augen trafen Zahra mehr, als es jeder Vorwurf von ihr vermocht hätte.
»Oh, Mutter«, rief sie. »Es tut mir so leid, dass ich Euch hintergangen habe, aber ich musste Hayat doch helfen!«
»Und auch ich wollte Euch keinen Kummer machen«, rief Hayat mit erstickter Stimme. »Aber mein Leben in Fès … keinen weiteren Tag hätte ich es ertragen können!«
Leonor nickte ihnen zu und setzte sich zu ihnen. Die Schwerfälligkeit ihrer sonst so leicht fließenden Bewegungen machte Zahra das Herz noch schwerer. »Könnt denn nicht wenigstens Ihr uns verstehen?«
»Verstehen kann ich vieles, aber …« Leonor brach ab und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.
Bang griff Zahra nach Hayats Hand. »Wollt Ihr damit andeuten, dass Ihr Vater nicht habt umstimmen können?«
Leonor hob bedauernd die Achseln. »Das konnte ich allerdings nicht, zumindest nicht in aller Konsequenz. Euer Handeln hat ihn so tief verletzt, dass all meine Bitten von ihm abgeprallt sind. Warum habt ihr euch auch nicht erst einmal an uns gewandt? Vielleicht hätten wir gemeinsam eine Lösung finden können. Aber einfach wegzulaufen hat Hayat leider völlig ins Unrecht gesetzt.«
Hayat strich sich über den Hals.
»Heißt das, dass ich jetzt … gehen muss?«
Leonor schüttelte den Kopf. »Nein. Zumindest das habe ich erreichen können. Allerdings darfst du zunächst nur bleiben, bis Abdarrahman in Fès Erkundigungen eingezogen hat. Nur wenn er Beweise dafür findet, dass dein Mann dich in der Tat so schlecht behandelt hat, wie du sagst, und dich keine Schuld daran trifft, ist er bereit, dir zu verzeihen und zu versuchen, die Scheidung für dich zu erwirken. In der Zwischenzeit will er dich nicht sehen. Du wirst die meiste Zeit des Tages hier oben verbringen müssen.«
»Und was hat er über mich gesagt?«, fragte Zahra.
»Dir hält er immerhin noch deine Jugend zugute.« Leonor strich ihrer Tochter eine Strähne ihres eigenwilligen Lockenhaares aus dem Gesicht. »Dein Vorgehen hat ihn trotzdem tief getroffen. Es wird lange dauern, bis er dir verzeihen kann.«
Immerhin wirft er auch mich nicht aus dem Haus, dachte Zahra, aber die Worte ihre Mutter versetzten ihr doch einen Stich.
Leonor erhob sich. »Ab morgen kannst du wieder zu Aischa gehen – allerdings nur, weil Aischa uns so sehr
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