Die Maurin
da Mutter ihnen verboten hatte, dich zu maßregeln, konnten sie nicht mehr tun, als wie aufgescheuchte Hühner mit ausgebreiteten Armen um dich herumzuglucken. Du hattest völlige Narrenfreiheit bei Mutter – eine Freiheit, von der mein Bruder und ich nur träumen konnten. Wie oft hat sie uns vorgehalten, dass wir zusammen noch nicht die Hälfte deines Schneids und deines Muts in uns vereinten!«
Auch Zahra fielen diese Szenen ihrer Kindheit nun wieder ein. Ein warmes Gefühl für Aischa durchfloss sie, und sie nahm sich fest vor, sie nicht zu enttäuschen.
Boabdil fragte, was sie zu ihm führte. »Ihr habt den langen, gefährlichen Weg zu mir sicher nicht auf euch genommen, um mir Gesellschaft zu leisten!« Auch wenn er lächelte, verrieten die Schatten, die bei diesen Worten in seine Augen traten, wie sehr Boabdil unter seiner Verbannung und Einsamkeit litt.
»Eure Mutter wollte, dass Ihr aus erster Hand von der aktuellen politischen Lage in Granada hört.« Zahra beschrieb die schweren kriegerischen Auseinandersetzungen und erklärte, warum Aischa gerade Kafur und sie zu ihm geschickt hatte und was seine Mutter nun von ihm, ihrem erstgeborenen Sohn, erwartete. Bei Zahras letzten Worten verschloss sich Boabdils Miene mit der Geschwindigkeit eines auf das Schafott herabfallenden Beils. Er erhob sich, trat zu den Regalen, strich über einige Buchrücken und blickte dann mit einer Sehnsucht zu dem Maschrabiya-Gitter vor dem Fenster, als würde er sich am liebsten wie ein Vogel durch die Maschen zwängen und davonfliegen. Unsicher sah Zahra zu Kafur. Der alte Haremswächter nickte ihr beschwichtigend zu. Also wartete Zahra, dass Boabdil das Wort ergriff, doch er schwieg weiter. Zahra wurde unruhig und blickte erneut hilfesuchend zu Kafur. Er nickte ihr zu und fragte Boabdil, ob er und Zahra sich irgendwo frisch machen könnten.
Es dauerte einen Moment, bis Boabdil reagierte, und als er zu ihnen sah, war ein solches Erstaunen in seinem Blick, dass sich Zahra fragte, ob er ihre Anwesenheit vergessen hatte.
»Ja natürlich, Kafur, entschuldige, wie unaufmerksam von mir, euch nicht zuerst ein Bad und Erfrischungen angeboten zu haben, aber es ist schon lange her, dass ich Besuch empfangen habe. Ich scheine vergessen zu haben, wie man Gäste zu bewirten hat.«
Er rief nach seinem Diener und wies ihn an, zwei Gästezimmer herzurichten. Während sie auf die Rückkehr des Dieners warteten, erzählte Boabdil ihnen, dass sein Leben hier vor allem aus Lesen und langen Spaziergängen bestehe, und schwärmte von einem jüdischen Gelehrten, der im Ort lebe und ihn bei seinen Studien unterstütze.
Zahra verstand nicht, wie er so daherplaudern konnte, statt sie nach dem Zustand seines Landes auszufragen. Wie anders Aischa an seiner Stelle reagiert hätte! Fast war sie erleichtert, als der Diener kam und ihnen mitteilte, dass ihre Zimmer bereitstünden. »Wir haben bei den Nachbarn zwei Dienerinnen für Euch ausleihen können und auch ein paar Kleider. Ich befürchte allerdings, Ihr werdet sie ein wenig schlicht finden«, fügte er mit einem entschuldigenden Blick zu Zahra hinzu.
»Die Freude darüber, endlich wieder angemessen gekleidet zu sein, wird alles andere überwiegen«, versicherte sie ihm.
Bevor sie in ihre Zimmer gingen, sah Zahra noch einmal zu ihrem Reisebegleiter. Er verstand die unausgesprochene Frage in ihren Augen. »Geduld, Sternchen«, sagte er leise. »Lass ihm Zeit, das alles zu verarbeiten. Wenn du ihn bedrängst, wirst du ihn nur noch mehr verschrecken!«
Unsicher folgte Zahra den Dienerinnen in ihr Zimmer.
Die Dienerinnen hatten Zahra etwas zum Essen und ein heißes Bad mit angenehm duftendem Lavendelöl vorbereitet. Während sie ihr erzählten, dass es im Ort keinen
hammam
gäbe, halfen sie ihr aus den Kleidern und in den großen Zuber zu steigen. Trotz der Schlichtheit ihres Badevergnügens genoss es Zahra, sich endlich wieder von Kopf bis Fuß reinigen zu können. Wohlig aalte sie sich im Wasser und stöhnte vor Wohlbehagen über die angenehme Wärme, die herrlichen Düfte und die sanfte Massage. Dann bat sie die Dienerinnen, sie noch eine Weile ungestört im Wasser liegen zu lassen, und die Frauen zogen sich zurück.
Zahra lehnte den Kopf zurück, naschte von dem köstlichen Pinienkernkuchen und dachte über Boabdil nach. Wie schnell und überaus froh er sich ihnen gegenüber vorhin geöffnet hatte – und wie abrupt er sich wieder in sich zurückgezogen hatte, als sie ihm von den
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