Die Maurin
blickte zu Kafur, an dessen Kehle noch immer die Klinge blitzte und der vor Wut mit den Zähnen knirschte, als der Wachmann Zahras Hände packte und ihren Körper mit seinem fetten, stinkenden Leib gegen die Wand presste.
Zahra spuckte ihm ins Gesicht. »Dafür wird Euch Boabdil den Kopf abhacken, und zuvor auch noch etwas anderes!«
»Meinst du diesen Körperteil?«, grinste er und stieß mit seinem Unterleib grölend auf Zahra, so dass sie sein hartes Geschlecht spürte. Er grabschte nach ihrem Busen. Zahra heulte vor Wut und Ekel auf und schrie erneut Boabdils Namen. Der Wachmann presste ihr seine Lippen auf den Mund und stieß seine dicke Zunge in ihren Hals. Im nächsten Moment donnerte eine Stimme durch den Patio: »Was geht hier vor?«
Wie von der Tarantel gestochen, prallte der Wachmann von Zahra zurück. Zahra wollte weglaufen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht. Mit unnatürlich geweiteten Augen starrte sie den Mann an und versuchte, ihre entblößte Brust zu verdecken. Er war jung und hoch gewachsen und wirkte mit seiner hellen Haut, den großen rehbraunen Augen und dem bartlosen Gesicht eher wie ein Südeuropäer denn wie ein Maure. Der Wachmann an ihrer Seite wich unter ehrerbietigen Verbeugungen zurück.
»Was geht hier vor?«, fragte der junge Mann noch einmal und sah zornig zwischen seinen Wachleuten und den Neuankömmlingen hin und her. Der Wachmann, der Zahra bedroht hatte, räusperte sich. »Dieses Bettelvolk stand eben vor Eurer Tür. Sie führen so edle Pferde mit sich, dass sie nur gestohlen sein können. Wir nehmen an, dass die eigentlichen Besitzer der Pferde Boten der Sultanin an Euch waren und sie aus ihnen herausgepresst haben, wo Ihr Euch aufhaltet. Sie wollten Euch mit ihrem Wissen erpressen!«
Boabdil blickte erneut zu Kafur und Zahra. Ungläubiges Staunen trat in seine Augen und schließlich Erkennen, unter der die kühle Unnahbarkeit, die ihn bislang wie eine Eismauer umgeben hatte, dahinschmolz.
»Du … Du bist doch Kafur«, sprach er Aischas Haremswächter mit aufstrahlenden Augen an, »und dich kenne ich auch irgendwoher«, meinte er zu Zahra.
Mit zitternden Händen hielt Zahra den heruntergerissenen Stoff vor ihrer Brust fest und sank auf die Knie. »Ich bin Zahra, die Tochter Abdarrahman as-Sulamis. Als wir Kinder waren, hat meine Mutter die Eure oft in der Alhambra besucht und mich mitgenommen. Wir haben zusammen in den Gärten der Alhambra gespielt.«
Boabdil machte dem Wachmann ein unwirsches Zeichen, Kafur endlich loszulassen. Er vergewisserte sich, dass er und Zahra unverletzt waren, entschuldigte sich für den Übergriff seiner Wachleute und bat Zahra und Kafur, ihn in seine Bibliothek zu begleiten.
Als Zahra in den hohen, weitläufigen Raum trat, hatte sie das Gefühl, in eine andere Welt einzutauchen. Bis zur Decke reichten die mit wertvollen, von Hand kopierten Büchern gefüllten Regale. Dazwischen hingen zeitgenössische Gemälde spanischer und italienischer Maler, auf denen Männer und Frauen abgebildet waren, was Zahra befremdete: Der Koran verbot ausdrücklich die Abbildung von Menschen und Tieren.
Boabdil führte sie zu der mit vielen Sitzkissen und zwei Diwanen ausgestatteten Sitzecke und bat sie, dort einen Moment auf ihn zu warten. Zahra ahnte, dass nun die Wachleute Grund hatten zu zittern.
Als Boabdil zurückkam, war seiner Miene nicht anzusehen, was sich draußen abgespielt hatte. Zumindest in dieser Hinsicht ist er ganz Aischas Sohn, dachte Zahra. Er reichte Zahra einen Umhang, mit dem sie ihren Oberkörper bedecken konnte, nahm ihnen gegenüber auf dem Diwan Platz und erkundigte sich bei Kafur nach dem Befinden seiner Mutter.
»Sie erfreut sich bester Gesundheit!«
»Ach, Kafur, Kafur!« Ein versonnenes Lächeln erhellte Boabdils Gesicht. »Wie lange dienst du meiner Mutter schon? Seit sie zehn Jahre alt ist, glaube ich, oder?«
Kafur nickte. »So ist es, mein Gebieter.«
»Du warst für mich immer wie ihr Schatten«, fuhr Boabdil nachdenklich fort, »und ich muss gestehen, dass ich seit meiner Flucht aus der Alhambra vor sieben Jahren kaum jemanden so sehr vermisst habe wie dich!«
Kafur dankte ihm mit einem stillen Neigen des Kopfes.
»Aber auch dich habe ich nicht vergessen«, sagte er zu Zahra mit einem freundlichen Lächeln. »Ich weiß noch genau, wie du mit deinem Ungestüm das Gefolge meiner Mutter zur Verzweiflung gebracht hast! Sie waren dafür verantwortlich, dass du dir beim Herumtoben in den Gärten keine Schramme holst, und
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