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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Erwartungen seiner Mutter berichtet hatte … Sie überlegte, wie alt Boabdil jetzt war. Sie meinte sich zu erinnern, dass er vier Jahre älter war als sie. Kein Alter mehr, in dem man sich hinter seiner Mutter verstecken konnte. Aber hatte Boabdil dies je gekonnt? War er nicht von Geburt an vom Schicksal gefordert und mehr als einmal auch überfordert worden?
    Allein die Weissagung des Sterndeuters am Tage seiner Geburt … Wie es Sitte war, hatten die Astrologen nach der Geburt des Thronfolgers sein Horoskop erstellt, und als sie die verhängnisvollen Zeichen erblickten, wurden sie – so erzählte man sich – von Furcht und Zittern ergriffen.
    »Allahu akbar,
Gott ist groß«, riefen sie aus. »Er allein lenkt das Geschick der Reiche! In den Gestirnen steht geschrieben, dass Euer Sohn den Thron Granadas besteigen wird – und dass sich der Fall des Reichs unter seiner Herrschaft vollenden wird.«
    Zahra wusste von ihrer Mutter, dass Hassan Boabdil daraufhin nie mehr anders als mit Abscheu angesehen hatte. Dies und die unselige Weissagung der Astrologen führten dazu, dass das Volk Boabdil den Beinamen
»az-Zugaibi«
gab, »der Unglückliche«.
    Zahra wusste nicht, ob die Astrologen mit ihrer Weissagung recht hatten; fest stand für sie nur eines: So wie die Dinge derzeit lagen, war ihr Land auch ohne Boabdil dem Untergang geweiht. Außerdem wäre es kaum das erste Mal, dass Astrologen bewusst falsch weissagten, um die Geschicke eines Landes nach ihren Wünschen – oder denen ihrer Geldgeber – zu lenken.
    Bisher hatte das Unglück Boabdil in der Tat nicht verlassen. Seine Kindheit und Jugend waren von Härte, Einsamkeit und Ablehnung gezeichnet gewesen. Schon als Knabe war er mit Morayma, der Tochter Ali al-Attars, verheiratet worden, weil sich Aischa dessen Unterstützung für Boabdil sichern wollte, doch bisher stand Ali al-Attar unverbrüchlich hinter Hassan. Vor sieben Jahren erfuhr Aischa, dass Isabel de Solís einen Mordanschlag auf ihren ältesten Sohn plante. Hassan hatte Aischa mit ihren beiden Söhnen damals wieder einmal in den Comaresturm gesperrt. Aischa band ihre und die Hidschabs ihrer Dienerinnen aneinander und ließ den fünfzehnjährigen Boabdil aus dem Fenster hinab. Mit Allahs Hilfe gelangte er unverletzt nach unten und stieg den steilen, felsigen Hang hinab bis zum Ufer des Darro. Ein Gefolgsmann des Großwesirs nahm ihn in Empfang und brachte ihn in ein Versteck in den Alpujarras, das jedoch von einem untreuen Diener verraten wurde, so dass er erneut hatte fliehen müssen. Seither war er ständig auf der Flucht. Morayma hingegen lebte bei ihrem Vater und vermochte sich an ihren Ehemann gewiss kaum noch zu erinnern.
    Zahra fröstelte. Sie rief die Dienerinnen, die sie in ein vorgewärmtes Handtuch wickelten, ihr Haar wuschen, sie einölten und sie, wie es im Koran vorgeschrieben war, epilierten. Anschließend halfen sie Zahra in ihre neuen Kleider und richteten ihr Haar. Zahra empfand es als große Wohltat, endlich wieder Frauenkleider zu tragen, verzichtete aber bewusst darauf, auch den Schleier anzulegen. Unter normalen Umständen hätte sie, da sie mit Boabdil nicht verwandt war, sich ihm weder unverschleiert zeigen noch überhaupt mit ihm an einem Tisch essen dürfen, aber genau wie wohl auch Boabdil empfand sie die Nähe aus der Zeit ihrer Kindertage noch intensiv genug, um es in diesem Fall mit ihren Glaubensregeln einmal nicht so eng zu nehmen. Außerdem, fand sie, war dies alles ohnehin eine einzige, große Ausnahmesituation.
    Bevor sie zum Abendessen ging, betete sie ein
du’a,
auch wenn sie immer weniger Hoffnung hatte, dass dies ausreichen würde, um Boabdil zur Rückkehr in die Alhambra zu bewegen, mit der er nichts als düstere Erinnerungen verband.

8.
    Boabdils Haus
    15 . März 1482
    D ie Dienerin führte Zahra und Kafur in Boabdils Speisezimmer, einen großen, durch schwere Vorhänge abgedunkelten Raum, den mehrere Öllampen in ein warmes Licht hüllten und dessen dicke Teppiche zusätzlich für Wärme und Behaglichkeit sorgten. Nach den entbehrungsreichen Wochen ihrer Reise war Zahra besonders empfänglich für die wunderbaren Essensdüfte, die ihnen entgegenströmten. Auf dem niedrigen Tisch zwischen den Sitzkissen erwarteten sie eingelegte
albóndigas,
gefüllte
hojaldres,
würzige Mandelpastete, frittiertes Gemüse und gegrilltes Zicklein. Auf einem Beistelltisch standen köstliche Süßspeisen und überquellende Obstschalen. Am meisten verlockte Zahra

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