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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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grimmig. Sie wandte sich ab, um in ihr Zimmer zu gehen.
    »Zahra, bitte, so nehmt es wenigstens mit!«
    Er versuchte, sie am Arm festzuhalten, doch Zahra entzog sich ihm. »Ihr wisst genau, dass wir uns vor der Hochzeit nicht sehen dürfen, und schon gar nicht unter solchen Umständen! Ich bin noch nicht einmal verschleiert!«
    Er drückte ihr eine Holzschatulle mit aufwendigen Intarsienarbeiten in die Hand und lächelte sie bittend an, wobei seine kleinen Augen beinahe vollständig unter dicklichen, unnatürlich geröteten Wangen verschwanden. Zahra brannte die Schatulle in den Händen. Sie wollte keine Geschenke von ihm. Sie wollte gar nichts von ihm – außer dass er ging. »Nehmt die Schatulle bitte zurück und geht!«
    »Ich gehe, sobald Ihr Euch mein Geschenk angesehen habt!«
    Unwillig öffnete Zahra die Schatulle. Auf tannengrünem Seidenstoff ruhte ein breiter Goldarmreif, der mit zahlreichen funkelnden Smaragdsteinen besetzt war. Zahra fand ihn viel zu wuchtig für ihr schmales Handgelenk und war sich sicher, dass er einer seiner beiden ersten Frauen gehört hatte.
    »Ich hoffe, ich habe Euren Geschmack getroffen!«
    Zahra schloss die Schatulle wieder und hielt sie ihm hin. »Ihr habt versprochen, jetzt zu gehen!«
    Da er keine Anstalten machte, ihr die Schatulle wieder abzunehmen, stellte Zahra das Kästchen auf dem Boden ab und ging zu ihrem Zimmer. Vernehmlich schloss sie die Tür hinter sich, setzte sich von innen dagegen und starrte mit brennenden Augen in die Dunkelheit.
     
    Da es Leonor von Tag zu Tag schlechter ging, verließ Zahra ihr Lager kaum, zugleich vermied sie es damit, dass Ibrahim ihr erneut auflauern konnte. So ruhig, höflich und gesetzt Ibrahim auch wirkte – etwas an ihm stieß sie ab, ängstigte sie geradezu, und wann immer sie daran dachte, dass sie ihr weiteres Leben mit ihm verbringen musste, hätte sie vor Wut und Verzweiflung aufschreien mögen.
    Fürs Erste schob Leonors schwindende Gesundheit den Hochzeitstermin immer wieder hinaus, und nachdem auch neue Arzneien und ein Aderlass ihren Zustand nicht hatten verbessern können, legte der Arzt Abdarrahman und seinen Töchtern nahe, sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Weinend lief Zahra zu Tamu, deren dunkle Augen ob der Prophezeiung des Arztes vor Zorn wie Kohlen aufglühten. »Ich habe Eurem Vater schon vor Tagen gesagt, dass die Mittel des Arztes nichts taugen, aber mir hat er ja verboten, ihr etwas von meinen Kräutern zu geben. Vielleicht wird er jetzt endlich auf mich hören!«
    Zwei Stunden später betrat Tamu Leonors Zimmer mit einem widerwärtig riechenden Kräutersud.
    »Willst du uns umbringen, du dummes Weib?«, schimpfte Abdarrahman. Er hielt sich die Nase zu. »Verschwinde mit deinem ekelhaften Gebräu, los, raus hier!«
    Trotzig sah die alte Berberin zu ihm auf. »Der Sud kann Eurer Frau frische Lebensenergie geben – und damit vielleicht nicht nur sie, sondern auch ihr Kind retten!«
    »Was sagst du da?« Abdarrahman sah die Alte an, als hätte sie den Verstand verloren.
    Herausfordernd blickte Tamu zu dem Arzt. »Nun sagt meinem Herrn schon, dass meine Herrin ein Kind erwartet, und lasst mich endlich handeln! Ihr mögt mit Eurer Heilkunst am Ende sein, aber ich nicht. Mit diesem Sud hat meine Mutter schon mehr als einer Frau das Leben gerettet!«
    Verlegen zwirbelte der Arzt seinen silbergrauen Bart.
    »Soll das etwa heißen, unsere Dienerin hat recht?«, brauste Abdarrahman auf. »Meine Frau erwartet ein Kind, und Ihr habt mir nichts davon gesagt?«
    Der Arzt hob abwehrend die Hände. »Eure Frau hat mich darum gebeten. Sie wollte Euch das Herz nicht noch schwerer machen. Sie weiß genau, dass es, selbst wenn sie nicht so krank wäre, einem Wunder gleichkäme, wenn sie bei ihrer schwachen Konstitution das Kind austragen könnte – und kein geringeres, wenn sie auch nur eine Fehlgeburt überlebte!«
    »Aber … aber Ihr selbst habt uns damals doch gesagt, dass Leonor wegen der schweren Unterleibsentzündung, die sie nach Zainabs Geburt hatte, keine Kinder mehr empfangen könne, und in der Tat ist ihr Bauch seither flach geblieben.«
    »Manchmal setzen schwere seelische Erschütterungen wie das Verschwinden Eures Sohnes ganz eigene Heilungsprozesse in Gang. Auf jeden Fall wächst die Frucht schon im vierten Monat«, erklärte ihm der Arzt und wies dann auf Tamu: »Lasst sie Eurer Frau den Sud geben. Zu verlieren haben wir ohnehin nichts mehr.«
    Ohne Abdarrahmans Erwiderung abzuwarten, trat Tamu ans

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