Die Maurin
angerückt sei, die zu finden ihm leichtgefallen war, da die Landbevölkerung weiter auf seiner Seite stand. Überdies hatte Boabdil die Erfahrung machen müssen, dass auch die Menschen in der Stadt ihm bei weitem nicht so unverbrüchlich die Treue hielten, wie er angenommen hatte: Als sich die Männer seines Vaters Zugang zu der Stadt verschafft hatten, liefen viele Adlige und alterprobte Krieger, die ihm noch vor wenigen Tagen zugejubelt hatten, zu seinem Vater über. Hassans Soldaten hinterließen in der Stadt eine blutige Spur. Voller Panik flüchteten die Menschen in ihre Häuser, doch auch dort verschonten seine Häscher sie nicht. Die Lage sei prekär, schrieb Boabdil weiter und bat Abdarrahman, ihm einen Teil seiner Soldaten zu schicken. Sofort gab Abdarrahman den entsprechenden Befehl.
Am folgenden Tag war Boabdils Lage noch verzweifelter. Er beriet sich mit seiner Mutter, und auch diese war nun der Ansicht, dass Boabdil seine Niederlage verkünden müsse, um dem Abschlachten der Menschen ein Ende zu bereiten. Doch mitten in ihr Gespräch platzte ein Bote Ismails, der ihm berichtete, dass das gemeine Volk nicht weiter vor seinem Vater floh, sondern sich jetzt mit verzweifelter Entschlossenheit gegen ihn zur Wehr setzte: »Ein jeder, der Waffen hat, erhebt sie jetzt gegen Hassan, und wer keine besitzt, greift ihn und seine Soldaten mit dem an, was er gerade zur Hand hat. Selbst Männer mit Mistgabeln, Stöcken, Fleischermessern, Spießen und glühenden Zangen habe ich gesehen!«
»Bist du sicher?«, fragte Boabdil, der den Wandel der Dinge kaum begreifen konnte.
»Ja, mein Gebieter! Es sind viele hundert, die sich gegen die Soldaten Eures Vaters zur Wehr setzen, und die Frauen schütten ihnen von ihren Fenstern siedendes Fett über die Köpfe!«
Sofort legte sich Boabdil sein Schwert an, um sein Volk zu unterstützen. Nach vier Tagen hatte Hassans Wüten ein Ende: Geschlagen und unter dem Hohn der Stadtbevölkerung musste er mit den Seinen aus der Stadt fliehen. Später hörte Boabdil, Hassan hätte sich mit seinen Soldaten nach Málaga gewandt, welches sein Bruder az-Zagal für ihn verwaltete. Zagals Macht und Kriegskunst war weithin gefürchtet, aber für den Moment war Boabdil und seinen Anhängern nur nach Feiern zumute, und ihr Jubeln war nicht weniger laut als das des noch nichts von dieser Verbindung ahnenden Volkes.
Noch vor dem Boten Boabdils, der Abdarrahman die frohe Nachricht von dem Sieg überbringen sollte, und auch vor Ibrahim, der durch die Unruhen in der Stadt zurückgehalten worden war, preschte Yazid in den Hof der Seidenfarm. An seinen Kleidern klebte das getrocknete Blut seiner Gegner im Kampf um Granada, sein feuriger Araberhengst dampfte von dem schnellen Ritt. Vor der Haustür sprang er vom Pferd und stürmte ins Haus. Zahra war gerade auf dem Weg, ihrer Mutter einen Teller Suppe ans Bett zu bringen. Der neuerliche Ausbruch der Kämpfe in Granada hatte die empfindsame Frau sehr aufgeregt, weswegen der Arzt Bettruhe verordnet hatte. Ehe Zahra auch nur Luft holen konnte, schlug Yazid ihr so hart ins Gesicht, dass sie gegen die Wand flog. Nach allen Seiten spritzte die heiße Suppe. Zahra schrie auf. Wie rasend schlug ihr Halbbruder weiter auf sie ein. Zahra stürzte und versuchte vergeblich, mit den Armen wenigstens ihren Kopf zu schützen, während Yazid sie auch in den Bauch, in die Seiten und schließlich wieder ins Gesicht trat. »Du ehrloses Stück Dreck hast unseren Emir verraten und seinen verfluchten Sohn zurück nach Granada gebracht!«
Abdarrahman stürzte herbei. Er packte seinen Ältesten am Arm und schleuderte ihn von Zahra weg. »Du bist ja von Sinnen!«
»Das wagt Ihr mir zu sagen?« Yazids Augen funkelten vor Hass. »Und das, nachdem Ihr zusammen mit Eurer verkommenen Tochter den Emir und die maurische Sache verraten habt?«
»Was geschehen ist, hat sich Hassan selbst zuzuschreiben«, donnerte Abdarrahman. »Ein Emir, der sein Volk aus purer Machtgier ausblutet, verdient es nicht, weiter sein Herrscher zu sein!«
»Verräter seid Ihr, Verräter am wahren Glauben und an Granada! Aber Ihr werdet ja erleben, was Boabdil mit Granada macht: An die Christen wird er es verhökern. Zum Kämpfen ist er gar nicht Manns genug, der feine Herr!«
»Und du nicht zum Denken! Jeder Blinde kann sehen, dass Hassan unser Land zugrunde richtet. Beim Allmächtigen, Junge, komm zur Vernunft!«
»Der Allmächtige wird Euch dafür strafen, Euch und Eure verkommene christliche
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