Die Maurin
schliefen, durch die Vega zu preschen.
»Was habt Ihr, Vater?«, fragte Zahra beklommen und dachte plötzlich mit heißem Schreck an ihren noch immer verschollenen Bruder. »Ist … Habt Ihr etwa schlechte Nachrichten über Raschid?«
Abdarrahman schüttelte den Kopf. »Nein, nein, weder schlechte noch gute, er scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein, und allmählich …« Er unterbrach sich. »Ich will jetzt nicht mit dir über Raschid reden, sondern über ein anderes Thema, das dir gewiss das Herz schwermachen wird. Es geht um deinen zukünftigen Mann …«
Dem Allmächtigen sei Dank, schoss es Zahra durch den Kopf, jetzt hat er auch Ibrahim zu sich genommen! – und sie musste sich auf die Lippen beißen, um vor Erleichterung, auch um diese Ehe noch einmal herumzukommen, nicht in Jubel auszubrechen, einen Jubel, der ihrem Vater gewiss missfallen hätte. Also fragte sie mit scheinbarer Betroffenheit: »Was ist denn mit Ibrahim?«
»Nun, ich weiß natürlich, dass du dieser Ehe ablehnend gegenüberstehst, und kann mir denken, dass du es mit deinem ungestümen Temperament nicht leicht haben wirst, dich an das stille, zurückgezogene Leben bei Ibrahim zu gewöhnen, aber Zahra«, er ergriff ihre Hände und drückte sie mit väterlicher Sorge. »Nach all dem, was du in den letzten Monaten erlebt hast, musst doch selbst du einsehen, dass niemand mehr in Granada seines Lebens sicher ist, zumindest auf absehbare Zeit noch nicht. Hassan wird mit Sicherheit versuchen, Boabdil wieder aus der Alhambra zu vertreiben, und wer weiß, ob das nicht zu einem Bürgerkrieg führt? Und darum bitte ich dich: Gib Ibrahim eine Chance, gib euch eine Chance. Ich will nicht, dass du im Gram von uns gehst, sondern dass du einsiehst, dass ich nur dein Bestes will!«
In Zahras Kopf überschlugen sich die Gedanken. War Ibrahim doch nicht tot? Und ihr Vater wollte sie wirklich zu ihm nach Marokko bringen?
»Wann …« Zahras Hals wurde trocken. Sie musste sich räuspern. »Wann wollt Ihr abreisen?«
»Wir brauchen nirgends hinzureisen. Ibrahim ist auf dem Weg zu uns; in spätestens drei Tagen will er hier sein. Er hat geschäftlich in Granada zu tun und mir von einem Boten den Vorschlag überbringen lassen, dass wir die Hochzeit hier abhalten. Um ein großes Fest so vorzubereiten, wie es üblich ist, bleibt uns unter diesen Umständen zwar keine Zeit, aber sicher wird er das nachholen, sobald ihr in Marokko seid. Hayat kann mit euch gehen – und ich muss Leonor nicht über viele Wochen allein lassen.«
»Hier – die Hochzeit …« Zahra wischte sich über die Stirn und wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. All die schönen Träume, die sie mit Boabdils Rückkehr nach Granada verknüpft hatte … Sollten sie jetzt wie eine Seifenblase zerplatzen?
»Zahra, versprich mir, dass du euch eine Chance gibst!«
»Aber Aischa«, stotterte Zahra. »Sie … braucht mich doch!«
Abdarrahman lachte auf und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ach, mein Kind, meinst du nicht, da überschätzt du dich ein bisschen? Hofdamen gibt es in ihren Gemächern mehr als genug, und auch wenn du mit deinem Ritt nach Almería wahrlich Mut bewiesen hast – Boabdil ist jetzt hier und alles Weitere Männersache!«
»Männersache«, wiederholte Zahra automatisch und fragte sich, ob dies allein die Ansicht ihres Vaters war oder ob sich auch Boabdil oder gar Aischa so geäußert hatten. Sie bat ihren Vater mit rauher Stimme, sich zurückziehen zu dürfen. Er sah zu ihr auf und schüttelte verwundert den Kopf. »Du hast doch nicht allen Ernstes geglaubt, dass dein Leben jetzt so weitergehen würde? Du bist eine Frau, und Frauen gehören an die Seite eines Mannes …«
Ohne die Erlaubnis ihres Vaters abzuwarten, sich zurückziehen zu dürfen, erhob sich Zahra und ging in ihr Zimmer, wo sie auf ihre Schlafstatt sank und mit tränenblinden Augen die Decke anstarrte.
Tags darauf kam ein Bote Boabdils auf die Seidenfarm, um Abdarrahman zu warnen. »Wir haben heute Nachrichten von unseren Spitzeln erhalten. Mein Vater hat Truppen zusammengezogen und will die Stadt angreifen, um sich den Thron zurückzuerobern. Wir rechnen mit jeder Stunde mit ihrem Eintreffen. Ihr seid sicher gut beraten, weiter auf Eurer Seidenfarm zu bleiben«, stand in der Mitteilung.
In der Tat erreichten Hassans Soldaten schon am Abend die Stadttore. Ein weiterer Bote teilte Abdarrahman zwei Tage später mit, dass Hassan mit über fünfhundert Männern
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