Die Maurin
Bett ihrer Herrin. Sie wies Zahra an, ihre Mutter ein Stück in den Kissen aufzusetzen, und redete mit schmeichelnder Stimme auf Leonor ein. »Mein Kräutersud wird das Leben in Euch zurückfließen lassen. Bitte, Herrin, trinkt. Und wenn Ihr es nicht für Euch tun wollt, so denkt wenigstens an Euer Kind!«
Tamu näherte ihren Löffel Leonors Lippen, doch sie drehte den Kopf weg.
»Mutter, bitte«, flehte Zahra. »Bleibt bei uns und tut, was Tamu sagt, Ihr müsst auch an Raschid denken!«
»Raschid kommt nicht mehr.« Leonors Stimme war kaum mehr als ein Hauch. »Er ist tot, wie wir alle bald tot sein werden …«
Weinend strich Zahra ihrer Mutter über den Arm. »Nein, Mutter, wir werden nicht sterben, und auch Raschid ist nicht tot. Denkt an meinen Traum; wir werden ihn finden!«
Leonor sah zu ihr. Ihr Blick schien Zahra von sehr weit her zu kommen. »Bitte, Mutter, trinkt Tamus Gebräu!«
Einen endlos scheinenden Moment sah ihre Mutter sie nur an, dann drehte sie den Kopf zu Tamu und nickte ihr zu.
Tamus Kräutersud bewirkte, dass Leonor in tiefen Schlaf sank, was für die Kranke eine Wohltat war. In den letzten Tagen war ihr Schlaf stets unruhig und von heftigen Alpträumen begleitet gewesen, aus denen sie meist wimmernd erwacht war. Auch wenn Abdarrahman Tamus Heilkünsten nicht traute, übernahm er es in der Nacht sogar selbst, seiner Frau Stunde um Stunde den Sud einzuflößen. Als Zahra kurz nach Sonnenaufgang ins Zimmer ihrer Mutter schlich, fand sie ihren Vater übernächtigt, aber mit einem seligen Lächeln am Bett ihrer Mutter sitzend vor. »Tamus stinkendes Gebräu scheint tatsächlich zu helfen. Das Fieber ist gesunken, und eben hat deine Mutter ein Stück Orange und eine halbe Feige gegessen!«
Zahra sank auf Leonors Lager und küsste, weinend vor Glück, ihre Hände.
In den nächsten Tagen gab es für Abdarrahman, Zahra, Hayat, Zainab und Tamu nichts Wichtigeres, als Leonor jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Die Köchin wurde angewiesen, ihr nur ihre Lieblingsspeisen vorzusetzen, die sie allerdings – schwangerschaftsbedingt – vor allem morgens nicht lange bei sich behalten konnte, aber insgesamt nahm Leonor trotzdem ein wenig zu, ihr Gesicht bekam wieder Farbe, und der Arzt war so beeindruckt von ihrer Gesundung, dass er sich von Tamu das Rezept ihres stinkenden Gebräus geben ließ.
Je weiter Leonors Genesung voranschritt, desto stiller wurde Zahra. Die Hochzeit mit Ibrahim … Nichts würde sie nun davor bewahren können.
Am späten Nachmittag sah Zahra von der Küche aus Ibrahim im Garten sitzen. Ohne nachzudenken, holte sie Hidschab und Schleier und ging zu ihm. Zwar wusste sie, dass dies unschicklich war, aber wenn sie diesen Mann schon heiraten musste, wollte sie sich wenigstens zuvor ein Bild von ihm machen und herausfinden, woher ihr Widerwille gegen ihn rührte. Als Ibrahim sie auf sich zukommen sah, erhob er sich von der Gartenbank und eilte entzückt auf sie zu. »Welche Freude, Euch zu sehen!«
Der Schleier ersparte Zahra ein Lächeln. »Ihr scheint Gärten zu mögen«, gab sie ausweichend zurück.
»Das stimmt in der Tat, und der Eure ist besonders prächtig: diese herrlichen Blumen und die Springbrunnen! Aber auch mein Haus in Marokko hat einen schönen, weitläufigen Garten. Ihr werdet Euch dort wohl fühlen!«
Zahra nickte vage.
Ibrahim schlug vor, einen kleinen Spaziergang durch die Felder zu machen. »Die Abendluft ist angenehm mild, und ich kann es kaum erwarten, Euch kennenzulernen!«
Zahra blickte zögernd zurück zum Haus. Sie wusste, dass sie nicht hätte hier sein dürfen, und ein Spaziergang mit Ibrahim war gegen jede Schicklichkeit. Trotzdem nickte sie – und wunderte sich, wieso sie dabei einen solchen Knoten in den Magen bekam. Vor wenigen Wochen war sie allein mit Kafur nach Almería aufgebrochen. Warum bereitete ihr dieser kleine Spaziergang mit ihrem zukünftigen Gemahl solches Unbehagen?
»Kommt, gehen wir – ehe uns noch jemand sieht!« Ibrahim lächelte ihr verschwörerisch zu und ging zum hinteren Tor. Obwohl in Zahras Kopf weiter ein »Nein!« hämmerte, folgte sie ihm. Es war, als müsse sie sich beweisen, dass sie ihm gewachsen war.
Hinter der Hofmauer reichte Ibrahim Zahra den Arm. »Nicht dass Ihr stolpert!«
Sein darauffolgendes Kichern fand sie ebenso albern wie unmännlich, aber Ibrahims Blick ließ sie seiner Aufforderung Folge leisten. Sie fand seinen Arm schwammig und weich und versuchte, nicht auf die langen,
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