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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Delfonte."
    " Na schön! Die Maya bedienten sich in ihrer verbalen aber auch der nonverbalen Kommunikation einer Fülle von Möglichkeiten", begann Daria ihr Hörsaalprogramm abzuspulen. "Sie benutzten Bilder, Tonarbeiten, Stoffe, Perlen, Steinsäulen, ja ganze Gebäude, um ihrer Weltsicht Ausdruck zu verleihen. Vielleicht suchen wir einen Hügel wie in Toxtlipan, vielleicht einen Dolinenbrunnen. Ich weiß es nicht. Würde mich aber nicht wundern, wenn die Bücher der Sechsten Sonne gar keine Bücher sind, sondern eine Stele oder eine Grabplatte, eine Pyramide gar. Das wäre nicht das erste Mal, dass dieses erstaunliche Volk seine Architektur zur Überlieferung ihrer Geschichte benutzt..."
    Sinnierend hielt Daria einen Augenblick inne.
    "Dieser Berg hier, Mount Cornucopia, ich glaube, dass ich dort mit meiner Suche beginne. Kautsky hat mir verraten, dass die Einheimischen ihn Cornuc nennen. Nun, ein Füllhorn scheint mir ein vielversprechender Anfang für eine Suche. Aber ansonsten dreht sich alles um die Sonne..."
    " Mag sein", murmelte Pater O'Domhnaill. "Vor ein paar hundert Jahren wären Sie jedenfalls für diese ketzerische Aussage verbrannt worden."
    " Eben! Da haben Sie einen Grund, weshalb diese Bücher vielleicht hier und nicht irgendwo im Stammland der Maya versteckt wurden: Zwist! Ich glaube, die plötzliche rätselhafte Entvölkerung der blühenden Mayastädte um das Jahr 800 n. Chr. ist der andere Grund. Wir reden immerzu von den Maya. Ich vermute, dass es innerhalb ihrer Gesellschaft viele Strömungen gab. Schließlich handelte es sich nicht um einen autokratischen Gottesstaat, sondern um einen lockeren Verbund hierarchisch geordneter Vielgötterfürstentümer. Da gab es Interessenskonflikte, Intrigen, Kämpfe um Vorherrschaft, Revolution, vielleicht sogar Anarchie. Folglich gab es Menschen mit divergierenden Zielen. Wer widerlegt mir, dass eine kleinere gesellschaftliche Gruppe ihr soziokulturelles Erbe für die Nachwelt bewahren wollte, sich dabei aber gegen andere Interessen behaupten musste. Die Insignien der Macht verleihen demjenigen die Macht, der sich in ihrem Besitz befindet. Macht aber wurde zu allen Zeiten missbraucht. Und stets fanden sich zur Auflehnung Entschlossene..."
    " So in etwa eine mittelamerikanische Variante von Martin Luther und den Protestanten", bemerkte der Pater.
    " Beweisen kann ich meine Theorie natürlich erst, wenn ich die Bücher habe. Ein Blick auf menschliche Verhaltensweisen zeigt mir jedoch, dass es immer Beweggründe für unser Tun gibt. Meistens sind diese Motive materieller Natur, manchmal auch ideeller. Vielleicht finden wir in den Büchern der Sechsten Sonne die Verbindung, die Versöhnung beider Seiten: Ein Werk, das über unser eigenes scheinbar so begrenztes irdisches Existieren hinausragt. Manchmal leider auch über das Verständnis nachfolgender Generationen. Aber daran arbeiten wir ja beide, nicht wahr Pater O'Domhnaill?"
    Der Pater lauschte dem Nachhall von Daria Delfontes Worten und nickte dabei zustimmend. "Ich beginne zu begreifen, weshalb wir uns begegnen mussten, Frau Doktor, ehm, Daria. Ich bin sicher, Sie kennen Jonathan Swift? Als Student habe ich mich ausführlich mit den Werken meines Dubliner Kollegen befasst. Dabei ist mir bewusst geworden, wie eng verbunden das Transzendentale mit unserer physischen hier und jetzt Raumzeit ist. Swift hat sich ja auf sehr originelle Art und Weise damit auseinandergesetzt... Was wollte ich eigentlich sagen?"
    Daria Delfonte lachte mitfühlend, lauschte einem Augenblick dem Stimmengewirr der Partygäste, dem Gläserklirren, dem Stühlerücken, den leisen Calypsoklängen, dem Schwung ihrer Gedanken und leerte dann ihr Glas. "Keine Sorge, Pater, manchmal verliere auch ich den Faden. Da Sie Swift erwähnten, Gulliver's Reisen waren mehr als abenteuerliches Inselhüpfen, die Innensichten auf geistiges, moralisches, politisches und sonstiges menschliches Verhalten boten... Oh je, ich fürchte, jetzt ist es mir auch passiert."
    " Für heute genug der Worte", sagte der große Ire mit schwerer Zunge. "Aber erinnern Sie mich morgen daran, dass ich Sie an irgendwas erinnern wollte, woran ich mich heute Abend nicht mehr erinnern kann, okay?"
    " Falls ich mich erinnern kann, abgemacht!", erwiderte Daria und hielt dem Pater ihre Rechte zum Abklatschen hin. Als sie merkte, dass der Mann nicht gleich verstand, zog sie die Hand verschämt zurück und wünschte ihren beiden Begleitern eine angenehme Nacht. Dann mischte sie sich

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