Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
Vom Netzwerk:
war auch später nie Zeit gewesen. Früher hatte Virginias Mutter alle Kontakte zu anderen menschlichen Wesen auf ein absolut notwendiges Minimum b eschränkt. Rowenia Moulder hasste die Menschen. Zu schlecht war sie zeit ihres Lebens von ihnen behandelt worden. Eine Hure, selbst eine für die Upper Class, blieb immer noch eine Hure. Virginia erinnerte sich, wie oft ihre Ma beklagt hatte, dass im ersten elisabethanischen England der gesellschaftliche Umgang mit den Lustverkäuferinnen fortschrittlicher gewesen sei als im Britannien Elisabeths der Zweiten. Öffentlich geübte Heuchelei und Verachtung gegenüber Prostituierten gingen Hand in Hand mit zunehmender Bereitschaft der Freier zur Gewalt und Perversion. Rowenia Moulder war nicht aus Nächstenliebe Nutte geworden. Als Mädchen ohne Bildung und Ausbildung hatte ihre Generation ihr keine großen Alternativen zu bieten. Bittere Not zwang Rowenia, ihren Körper zu vermieten. Nach der Geburt ihrer Tochter musste sie erfahren, wie schlecht es um die Solidarität der Menschen bestellt war, die sich einst an der Befriedigung, die sie verkaufte, ergötzt, ihr aber jede weitere Teilnahme am öffentlichen Leben oder auch nur die Sicherung der persönlichen Zukunft in Form von Kranken- oder Rentenversicherung verweigert hatten. Virginia, ihre Tochter, hatte den Ver-stand, die Menschenscheu und das Stigma ihrer Mutter als Erb-last übernommen und damit gerungen, bis ihre Mutter starb. Dann hatte sich die 15-jährige Halbwaise auf die Suche nach ihrem Vater begeben, von dem sie nicht mehr hatte, als einen Kreditkartenbeleg für geleistete Dienste und das Wort ihrer Mutter, dass der Karteninhaber ihr Erzeuger sei.
    " Darf ich mitlachen?", sagte Carlos, der sie im Spiegel beobachtet hatte, während er sich rasierte.
    " Oh, ich dachte nur gerade an eure Ähnlichkeit. Mein Vater und du, ihr seid aus demselben Holz geschnitzt..." Virginia ging zu Carlos und zupfte zärtlich an seinem dichten, schwarzen Brusthaar. "... mindestens aber vom selben Baum gefallen."
    " Höh-häh-höh", machte Carlos und trommelte sich mit den Fäusten auf den Brustkorb. "Ich Tarzan, du Jane, du kommen mit Lianenschwingen in Urwald in Columbia?"
    Virginia grinste wieder. Warum eigentlich nicht. Als Kulturkritikerin der Times sah sie keine große Zukunft vor sich. Kulturkritik war auch nur ein Euphemismus für Klatsch und Tratsch der gehobenen Art. Vielleicht war die Zeit reif für wahre Philosophie. Es einmal als Braut eines vermeintlichen Drogenbarons zu probieren, bot zumindest emp irische Versprechungen.
    " Hängt von der Liane ab, mein Affe", sagte sie. "Aber vorher muss ich noch in die Redaktion, ein paar Dinge regeln. Und zuhause mein Bündel schnüren."
    Carlos schaute seine Britin ausdruckslos an. "Das wird Lopes für dich erledigen. Gib ihm eine Liste mit..."
    " Und mein Artikel über die Caldera-Vernissage mit der subtilen Latino-Symbolik?", fragte Virginia, die noch nicht verstand.
    " Den kannst du in deine Redaktion faxen oder mailen, Feuerfrau."
    Feuerfrau, so nannte Caldera sie seit gestern Nacht. Irgen dwie nett. "Ich lass doch keinen Fremden in meiner Unterwäsche wühlen, Carlos. Außerdem muss ich meiner Vermieterin..."
    " Dann wird Lopes dich begleiten und basta!", meinte Caldera mit lässigen Handbewegungen.  
    Und nun verstand Virginia Gluth. Carlos Calderas Einladung war kein Angebot, sondern ein Befehl. Sie sah ihm stumm zu, wie er sein R asiermesser an einem braunen Lederband wetzte. So schnell hatte sie sich die Finger verbrannt.
    Zwei Stunden später saßen sie in Calderas grünem Firmenjet mit der Aufschrift Ybarra und kämpften sich in fünftausend Fuß über der irischen See einen Weg aus den Wolken hinaus. Doch die dichten R egenschleier wollten sich nicht lichten. Die zweistrahlige Gulfstream pflügte durch die Wasserwände wie ein U-Boot und nicht wie ein Düsenjet. Auch über den Wolken schien keine Sonne zu scheinen. Virginia nippte an ihrem Mineralwasser und legte die freie Hand auf Calderas Unterarm. Der schaute fragend von seinem Notebook auf, das ihm seit zehn Minuten die jüngsten Spendenquittungen der verschiedenen Los Otros-Stiftungen ausdruckte.
    " Alles in Ordnung, meine Liebe?"
    " Sicher", sagte Virginia. "Ich frage mich nur gerade, wie du eigentlich dein weltweites Samaritertum finanzierst. Wohl kaum mit deinen Phallusskulpturen, oder?", fügte sie lächelnd hinzu, um der Frage eine gewisse Schärfe zu nehmen.
    " Die Basis meines geschäftlichen Erfolgs

Weitere Kostenlose Bücher