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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Kulturen. Einer der beiden Lehrer, die sich bemühten, ein breites Spektrum menschlichen Wissens zu vermitteln, waren gleichzeitig für die botanischen Experimente im Labor zuständig. Bekka hatte Flavia die Lehrpläne der Inselschule als Bettlektüre überlassen, und sie war kaum überrascht gewesen, Namen wie Hegel, Humboldt und Thoreau in trauter Nachbarschaft zu Begriffen wie Matriarchat, Hermetik oder KabyumKin zu finden. Zur Hermetik mußte sie Baldini befragen; schwach konnte sie sich an eine Vorlesung ihres studium generale erinnern, aber sie wusste nur, dass Hermetik etwas mit einer magisch-mystischen Erklärung für das Universum zu tun hatte. KabyumKin, so hatte Flavia von Palika erfahren, war ein besonders verehrter Vorfahre der Kamkin gewesen, der Erste Mensch und offenbar ein Ur²enkel des gegenwärtigen Priesters mit gleichem Namen, dessen Rolle Flavia noch nicht durchschaute. Irgendwie war der alte Mann ihr suspekt; aalglatt eben, wie so viele Verkünder so vieler Religionen.
    Priester und deren düstere Zermonien mochte sie nicht. Seit ihrer Kindheit und der nicht endenwollenden Kette langweiliger Sonntagvormittage in von Weihrauch und Heuchelei geschwängerten Sakralbauten an der Hand ihrer Mutter, verspürte sie eine heftige Abneigung, beinahe Übelkeit, beim Anblick eines von Ausschweifungen sexueller Sündhaftigkeit und gerechtem Zorn himmlischer Heerscharen salbadernden Gottesdieners, der – wie Don Guiseppe Flavoni in ihrem Heimatort Peschiera – lange Jahre einen seiner Meßdiener wenige Minuten nach der Predigt in irgendeinem muffigen Winkel seiner Sakri-stei zu einem verängstigten und lebenslang erniedrigten Schwanzlutscher degradiert hatte. Nicht jeder Pfaffe war wie Guiseppe Flavoni, und sie war nicht hier, um ihre Vorurteile zu pflegen. Aber ihr Misstrauen gegenüber den selbsternannten Verkündern göttlicher Botschaften würde sie nie ablegen. Mit Hilfe vermeintlicher Sündhaftigkeiten und der Aussicht auf das Paradies läßt sich prima unterdrücken. Flavia hatte nicht umsonst Kirchengeschichte als Nebenfach studiert. Doch hier auf Grand Karaiba mußte sie beobachten, nicht bewerten: das würde später folgen.
    Das gackernde Lachen Baldinis riß sie aus ihren Gedanken. Der Pr ofessor amüsierte sich über einen jungen Kamkin, der mit ungeschickten Händen und einem Flavia unbekannten Schabinstrument eine kartoffelähnliche Pflanze schälte. Bei der Rollenverteilung der Kamkins fiel auf, dass die Männer sich um die Ernährung der Familien kümmerten. Ihr Blick folgte einigen Staubkörnchen, die in den Sonnenstrahlen tanzten, durch den Türbogen zum Dorfplatz und der Feuerstelle hinüber, die der Vater mit seinen beiden kleinen Söhnen errichtet hatte. Das fröhliche Geschrei der drei war verstummt. Mit angestrengten Gesichtern hockten die Jungs im Schneidersitz einander gegenüber und kneteten mit aller kindlichen Inbrunst, derer sie fähig waren, an einer gewaltigen, goldgelben Teigkugel, die ihr Vater ihnen zusammen mit ein wenig Wasser in eine flache Holzschüssel gegeben hatte. Er selbst war mit einem Mörser beschäftigt und zermalmte Körner zu einem Pulver, das die Basis für den Teig bildete.
    Flavia vermutete, dass es Maiskörner waren. Die drei buken Maisk uchen, und wie die anderen Männer des Ortes, würden sie später auch den Tee bereiten und weitere Mahlzeiten, die im übrigen kaum einmal so üppig ausfielen, wie die Mägen westlicher Infarkt-, Sodbrenn- und Krebskandidaten gewohnt waren.
    Die Frauen bestellten zusammen mit ihren Kindern die Felder und waren für die Herstellung von Kleidung zuständig, soweit die nicht aus Versandhauskatalogen oder Supermärk ten auf Barbados herstammten. Traditionelle Arbeitsweisen standen im Mittelpunkt des alltäglichen Geschehens, obwohl der Alltag bisher kaum eine Chance gehabt hatte, wieder einzukehren.
    Sturm und Regen waren zwar endlich vorüber, aber am Morgen hatte Palika erneut zwei Schiffbrüchige aus den Meeresfluten geborgen. Und die sorgten für einige Aufregung.
    Durch abwechselndes Anspannen ihrer Hinterbacken versetzte Flavia ihre Hängematte in eine sanft schaukelnde Bewegung und beobachtete die Neuankömmlinge, die sich in einem stillen Winkel des Rundhauses ausruhten, den Palika ihnen zugewiesen hatte. Nach einem unruhigen Erschöpfungsschlaf wurden die zwei gerade wach. Sie glaubt e, dass sie den Dunklen mit den bösartigen Augen schon einmal gesehen hatte. Sie wußte, dass ihr irgendwann einfallen würde, wo

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