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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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zerzausten Eindruck, war aber keineswegs zerstört. Viele Häuser hatten ein teilweise oder ganz abgedecktes Dach. Fenster wa-ren eingedrückt und Pflanzen umgeknickt. Trotzdem war es die üppige Natur, die sich am ehesten von dem Unwetter erholt zu haben schien. Die Kamkin hatten ihre schlichten Behausungen um einen zentralen Platz herum erbaut. Der Dorfplatz war gesäumt von einem Ring aus Gloriolas, deren mächtige Kronen Schutz vor Regen, Wind und Sonne boten. Einige Kamkin hatten ihr Haus unmittelbar um den Stamm dieser majestätischen Bäume herum errichtet und kamen so in den direkten Nutzen der schattenspendenden Baumkrone. Aber die meisten Bewohner siedelten entlang der fünf Pfade, die sternenförmig aus dem Dorf hinausführten. Grand Karaiba war ein ziemlich wilder Sternenhaufen. Die einzelnen Häuser wurden durch bunte Sträßchen aus gestampftem Muschelkalk miteinander verbunden und auch die unzähligen Crotonsträucher mit ihren großflächigen, rot-, gelb-, blau-, violett-, dunkelbraun- und goldgesprenkelten Blättern verstärkten nicht gerade den Eindruck von Einheitlichkeit. Flavia verglich das äußere Bild des Dorfes mit dem Charakter seiner Bewohner: Verschwenderische Blüten- und Farbenpracht stand einer schlichten Struktur gegenüber, die sich dem Betrachter aber in gewinnendem Einklang offenbarte, ein Wildwuchs, der auf geheimnisvolle Weise einer verborgenen Ordnung unterworfen schien. Wie keine anderen Lebewesen, so wirkten die Gloriolas und die Crotonsträucher auf Flavia wie Ebenbilder des Menschen: Sie konnten groß oder klein sein, mal schmächtig, mal riesig. Sie wuchsen krumm oder gerade, in diese oder jene Richtung, aber immer waren ihre Blüten prächtig und ihre Kronen – dieses Gewirr aus sich verbiegenden, miteinander verflochtenen, bizarr gekrümmten, wild umeinander gerankten, mal zart mal dicht belaubten Zweigen und Ästen – geboten jedem Ehrfurcht, der sie betrachtete. Fast war man geneigt, zu dem Baum wie zu einem alten Gefähretn zu spre-chen, sich voller Vertrauen, ja Zuneigung, seiner Gunst zu versichern. Nie zuvor hatte Flavia ernsthaft in Erwägung gezogen, einen Baum zu mögen. Doch ein erstes Mal gibt es immer.
    "Salve, Häup tling!" sagte Baldini theatralisch. "Ich bin zu dem Schluß gekommen, dass euer Leben hier göttlich ist. Einfach göttlich. Denn was sonst kann Gott mit seiner Schöpfung beabsichtigt haben, als ihr die Muße zu geben, damit..."
    "Verzeih, Professor, wenn ich dich unte rbreche", sagte Palika und hätte es beinahe geschafft, verlegen dreinzuschauen. "Aber so wie es aussieht, hast du eine Menge Zeit zur Muße. Die Nachrichtenverbindungen sind allesamt unterbrochen. Sogar die Telefonleitung nach Cinnamon und Aurora, den bewohnten Inseln dieses Archipels, ist gestört. Der Sturm war kein lokales Ereignis. Das steht fest. Ich will euch nur sagen, dass ihr noch eine ganze Weile unsere Gäste bleiben werdet..."
    Palika sprach ruhig und fast ohne Akzent. Sein Englisch war wesen tlich besser als das des Arabers. Und er hatte sich viel besser unter Kontrolle. Flavia wartete schon länger auf einen Ausbruch Al Sauds. Jetzt stand er kurz bevor.
    "Soll das heißen, wir können hier nicht wieder weg?" fragte er im To nfall eines düpierten Börsenmaklers, der die Kurskapriolen seiner Schweinebäuche und Nasdaq-Notgroschen nicht länger ertragen konnte.
    Palika nickte bejahend. "Ich wollte ein Kanu zur Hauptinsel des A rchipels schicken. Nach Santa Aurora. Aber das Meer ist weg..." Er ließ den Satz unvollendet im Raum schweben.
    Aber für Schwebezustände irgendwelcher Art war Abdul Ibn Hamar Al Saud nicht länger zu begeistern. Er hatte sich entschlossen, seinen angestammten Platz im Konzern seines Vaters zu beanspruchen. Schluss mit Casino Royale, er wollte jetzt endlich an die wirklich großen Geldtöpfe heran. "Wie weit ist es bis zum nächsten Flugplatz?"
    "80 Seemeilen", erwiderte Palika.
    "Gibt es auf den Auroren keine Landebahn?"
    "Nein."
    "Was kostet mich ein Kanu mit zwei Mann Besatzung?"
    "Nichts", sagte Palika.
    "Was soll das heißen?"
    "Nichts", wiederholte der Häuptling mit aufreizender Ruhe.
    "Ich kann es umsonst haben, na schön, das nenne ich Gastfreund..."
    "Ein Kanu mit zwei Mann Besatzung kostet dich nichts, weil du ke ines kaufen kannst."
    "Du willst mir also keins geben, Häuptling? Okay, ich bin..."
    "Ich kann dir kein Kanu geben, weil es dir nichts nützen würde."
    "Oh, danke, großer Häuptling Palika, deine Fürsorge rührt mich.

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