Die Maya-Midgard-Mission
anders. Weniger in einer anderen Zeit, denn an einem anderen Ort, obwohl es hier war.
Ja, dort lebte ich kein schäbiges Leben, dort genoss ich Ansehen, ja Ruhm. Ich hatte Kollegen und Freunde. Aber unser Schicksal konnte ich nicht abwenden. Noch fehlten jene Bücher, die zu finden Ihr hofft. Im Hier erinnerte ich mich an mein dortiges Scheitern, und fortan hatte ich kein Interesse mehr an meinem hies igen Straucheln. Ich war ein kleiner Betrüger. Jedoch einer mit einem Gedächtnis, das Raum und mehr noch die Zeit überwand. Ein kleiner Mann mit einer grandiosen Idee: Finde die Bücher und rette uns alle – hier wie dort! Beinahe ist es mir gelungen.
Dass ich gescheitert bin, lag nicht an meinem schmierigen Dasein. Die Zeit ist einfach noch nicht da. Doch jetzt ist sie gekommen. Ihr steht kurz vor dem Gipfel. Schaut Euch um! Die Welt, die Ihr solange g ekannt habt, existiert nicht mehr. Die Erde dreht sich weiter, natürlich. Doch ihr Antlitz hat sich gründlich verändert. Was einst Inseln waren, ist nun ein kleiner Kontinent. Wo einst ewiger Schnee den Fels bedeckte, wächst bald das dichte Grün des Dschungels. Das Wasser fließt immer noch durch diesen Berg. Aber schmeckt es noch seidig nach jahrhundertealtem Kalk? Ich denke: Nein! Der Regen hat den ganzen Dreck vom Himmel gewaschen, die Sonne die Böden ausgetrocknet. Alles ist anders: Geschmack, Geruch und selbst das ewige Ticken der Weltenuhr. Ja, Ewigkeit ist nicht von Dauer. Das neue Zeitalter naht. Mit Euch ist es bereits angebrochen.
Ihr fragt Euch, woher ich mein Wissen nehme. Nein, ich habe die Bücher nicht gefunden. Ich glaube zu ahnen, wo sie sind – nicht weit von mir. Ich weiß, weil ich es erlebt habe, als ich dort war. Dort war es wie hier. Und hier ist es beinahe wie dort. Der Kreis wird sich schließen. Die Sechste Sonne geht bald auf. Vollendet Eure Suche und Ihr werdet verstehen!
Es gab andere, die gleich mir Wegbereiter waren. Vorbilder, Lehrer, und weiß Gott bessere Menschen als ich. Eitel Melch ior Federmann war ein solcher Mensch. Mögen Euch seine Worte den wahren Weg weisen (ich fand einen Teil seiner Schriften, doch, weiß Gott, das ist eine andere Geschichte):
" Benetze dich mit Wasser, und Du wirst immer trocken bleiben. Werde zu Stein, und Du wirst ewiglich lebendig sein. Gehe ins Dunkel, und Du wirst immerwährendes Licht finden."
Ihr seid diesen Worten bis hierher gefolgt. Mit ihrer Hilfe habt ihr die Höhlen und die Schriftrollen gefunden. Sonst stündet Ihr nicht hier. Mit ihrer Hilfe werdet ihr vermutlich eine weitere Höhle, gewaltiger als alle anderen, finden. Dort ist die Sechste Sonne verborgen. Doch aufgehen wird sie nur, wenn Ihr das Vermächtnis von Federmann versteht. Dieses Wort wurde der Welt bislang vorenthalten. Es ist der Schlüssel, der meinen Sesam öffnen sollte.
Ich habe es nicht geschafft. Meine Begleiter haben gemeutert, als sie diese mensche nleeren Inseln vorfanden. Sie haben unser Boot gekapert und sich in alle Winde verstreut. Nur ich bin geblieben. Als Einsiedler habe ich mein ganzes Leben hier verbracht und versucht, Federmanns Worte zu begreifen. Bisher war der letzte Schritt mir nicht vergönnt, vielleicht ist das Scheitern Teil meines Weges. Aber versuchen will ich es weiterhin. So oder so. Ich weiß, dass Ihr eines Tages kommen werdet, weil ich Euch im Dort gesehen habe. Deshalb überlasse ich Euch meinen Schlüssel.
Meine Hilfe für Euch besteht in meinen Aufzeichnun gen. Ich habe alles gesammelt – ein reiches Leben lang –, alles, was ich über die Bücher der Sechsten Sonne finden konnte. Verzeiht meine Anmerkungen! Sie sind das Ergebnis eines lebenslangen Ringens um Wahrheit; sie sind der letzte Stand meines Irrtums; doch sie sind auch die Summe der Erkenntnisse eines unruhigen Geistes. Ich konnte nicht meine gesamten Manuskripte vor den Nazis retten, aber mein Wissen und die Wahrheit blieben ihnen verborgen. Sie waren verblendet wie Kolumbus und ignorant wie Nelson oder Napoleon. Deshalb fanden sie nicht, was Ihr findet! Ich tat, was ich immer tun wollte, ich ergänzte das Mosaik, Steinchen um Steinchen und schrieb alles von Neuem nieder. Lest und begreift!
Mögen Euch die Strahlen der Sechsten Sonne erwärmen
P.S. Eine letzte Bitte, gewährt sie einem, dessen Einsamkeit bald ein Ende hat: Sollte Marilyn leben, behandelt sie gut, sie hat ein reines Gemüt!
P.P.S. Die folgenden Formeln konnte ich nie vollständig und zu meiner Zufri edenheit entschlüsseln. Vielleicht seid Ihr
Weitere Kostenlose Bücher