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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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aber nicht davon, sondern schien auch sie zu beobachten, wie sie ihn betrachtete. Nach einer Weile gegenseitiger Musterung wandte sie ihren Blick nach innen und guckte ein Loch in den samtblauen Himmel. Die Sonne war kurz vor dem Eintauchen ins flüssige Gold des in Auroras Gestade heimgekeh rten Ozeans. Im flimmernden Licht schwebten Insekten und Darias Augen folgten ihrem schwirrenden Tanz. Ihre Augenlider wurden schwer und begannen ebenfalls zu tanzen. Auf und zu. Schnell und schneller. Die eng mit Carl Mays schwungvoller, beinahe femininer Schrift beschriebenen Seiten sanken in ihren Schoß. Schließlich döste sie ein. Ihre Gedanken verharrten irgendwo im Allesland zwischen Wach und Traum, zwischen Hier und Jetzt und einem eher jenseitigen, intuitiven Verständnis. Nachher hätte sie nicht zu sagen vermocht, ob ihre Erlebnisse Produkt ihrer Phantasie, Traumgespinste oder visionäre Erlebnisse einer Meditation gewesen waren. Sie beschränkte sich auf die Formel: "Ich habe es erlebt, mit eigenen Sinnen erfahren."
    Daria beobachtete die mächtigen Flügelschläge einer Möwe. Mit j edem Schlag schien der Vogel größer, wurden seine Konturen schärfer. Zuerst dachte sie, das Tier wäre eine riesige Silbermöwe. Aber als es schließlich im Gleitflug näher und immer näher kam, erkannte sie einen weißen Raben. Der kräftige Schnabel und die charakteristische Form des Kopfes ließen keinen Zweifel zu. Daria hatte noch nie einen weißen Raben zu Gesicht bekommen. Wie die meisten Menschen kannte sie dieses Geschöpf nur aus den Legenden vieler Kulturvölker. Doch der Vogel, der sich auf einem Baum in Sprechweite zu dem Menschenkörper niederließ, war mehr als eine Legende.
    " Schön, dass du gekommen bist", sagte er.
    " Du kannst sprechen?", meinte Daria verblüfft.
    " Nein", sagte der weiße Rabe, "aber du kannst mich verstehen. Du willst eine Bibel? Dann mache es wie in der Bibel! Mache es wie Jonas! Finde die Erkenntnis im Bauch eines Walfischs." Dann flatterte er davon und ließ eine Daria Delfonte zurück, die nicht wusste, worüber sie sich mehr Gedanken machen sollte: Über Wachträume, Wale oder sprechende Raben.
    Als sie erwachte und ihre Innenbilder wie glitzernde Ede lsteine auf den Grund ihres Bewusstseins sanken, versuchte sie einen dieser schönen Steine mit Willenskraft festzuhalten – einen Bernstein. Sie erinnerte sich: Der Wal stand für U 46, aus dessen Eingeweiden sie die Aufzeichnungen Carl Mays geborgen hatten. Der Bernstein für die Auroren, für die Bücher, für die Sonne, flüssige Sonne, Meer, eine Textstelle in der Handschrift. Sie nahm die Blätter auf, vertiefte sich erneut ins Quellenstudium, griff nach ihrem Rucksack, wühlte hektisch darin und beförderte endlich die Indizien zutage, die ihr als Beweise für die Existenz der Bücher gedient und den Weg nach Aurora und auf den Mount Cornucopia gewiesen hatten: Die mit Bernstein verzierte Brosche des Wikingers, deren spiralige Ornamente seiner Schädel-Tätowierung entsprachen, ihren Ring, Carl Mays stilisierte Sonne. Immer wieder fiel ihr die Spiralform ins Auge, das war der eine Teil des Rätsels Lösung. Der andere Teil irritierte sie. Mit der Ziffer 4 konnte sie zunächst nichts anfangen. Eine vierzackige Sonne, eine Spirale aus jeweils vier an vier Schnüren aufgereihten Perlen... Die Andeutung der vierten Dimension? Aber die Bücher waren die Bücher der Sechsten und nicht der Vierten Sonne. Warum also 4? Vielleicht, weil die Bücher im Zyklus der Vierten Sonne entstanden waren? Dann stieß sie in den Unterlagen aus Norma Jeans Granithaus auf den May-Text aus seinem vierundvierzigsten Inseljahr.
     
     
    ***

41 AURORA WIDER DIE WINDE
    " DIE SECHSTE SONNE - DIE AUROREN, im Oktober 1962
     
    Liebe Sonnenkinder!
    Beinahe habt Ihr es geschafft. Ihr habt alle Widerstände überwunden, alle Voru rteile begraben, Eure Herzen sind offen; denn sonst stündet Ihr nicht hier.
    Wie auch Ihr, so bin ich zielstrebig wie ein Zickzackläufer auf vielen Umwegen nach Santa Aurora gelangt. Wie auch Ihr, so habe ich ung ezählte Geschichten und Legenden über die sagenhaften Bücher der Sechsten Sonne erfahren. Ich wollte diese Bücher finden. Ich musste! Es war der einzige Sinn meines jungen, verpfuschten Lebens. Meine Geschichte will ich Euch ersparen. Mit mir und meiner Person hat Eure Aufgabe wenig zu tun. Nur soviel sei gesagt: Ich bin nicht der Sohn des Schriftstellers. Ich bin ein Wegbereiter. Ein Pfadfinder. Doch ich war einmal jemand

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