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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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hin und strich mit einem feinborstigen Pinsel unendlich vorsichtig, beinahe liebevoll über einen augenscheinlich menschlichen, offenbar mumifizierten Schädel. "Du bist verschrumpelter als Ötzi", murmelte Daria Delfonte. Den Kloß im Hals schrieb sie ihrer Aufregung über den Sensationsfund zu. "Im Ewigen Eis hält man sich besser als in tropischen Breiten. Du bist ein wahres Wunder!" Der Kopf der Mumie saß fest auf einem faltigen Hals, der in erstaunlich breiten Schultern mündete und reckte sich aus dem Erdreich, als würde der sich darunter befindliche Körper mit ungeduldiger Macht emporstreben, um endlich, endlich wieder ins Tageslicht einzutauchen.
    " Was kannst du mir über die Wikinger in Yukatan erzählen?", fragte Daria leise. "Und über die verbotenen Bücher, von denen ich nicht sprechen darf. Du musst mir helfen, Wächter, meine Zeit läuft ab..."
    War es der Mumienfund oder der Traum, der eine vage Botschaft, eine Idee an ihre B ewusstseinsoberfläche schickte? Beinahe hätte sie eine Antwort des Toten erwartet. Ein Gefühl von Trauer und Verlust schwappte über sie hinweg. Tränen schossen in ihre Augen. Sie schluckte und massierte ihren Kehlkopf. Ein kratzender Hals, ein Kloß aus heulendem Elend und ein Geschmack auf der Zunge, als hätte sie auf Holzkohle gebissen. Ob diese Gefühlswirren mit Tony Larkins Horrormeldungen zu tun hatten? Oder mit der Informationsflut ihrer sozialen Netzwerke? Weltuntergang, Armageddon, Finanzkrise, Depopulation, Kriege, Nibiru, der 21.12.2012 vor der Tür. Nein, nein und nochmals nein! Darias persönliche Welt ließ sich von Untergangsszenarien nicht mehr erschüttern. Auch die Ungeduld und das cholerische Geschäftsgebaren ihres Financiers, William Peter Kautsky, waren der Forscherin schon länger bekannt. Delfonte schniefte laut. Sollte das Wasser ruhig steigen. Sie befanden sich hier 28 Meter über dem Meeresspiegel. Unmöglich, dass die Fluten sie hier überschwemmten. In ein paar Stunden würde sie die Mumie ausgegraben haben und die Kammer dahinter öffnen. Unwillig wischte die Forscherin ihre Tränen weg. Ein hartnäckiges Déjàvu galt ihr als Indiz, dass die Mumie mehr bedeutete, als ein simpler Leichenfund. Doch sie war zu erfahren, um ihre starken Emotionen nur dem aufregenden Fund und ihrer schwächelnden Gesundheit zuzuschreiben.
    Na klar! Das Telefonat mit ihrer Tochter steckte ihr in den Knochen. Georgia hatte sie erbost mit dem Etikett "Rabenmutter" versehen. Das Bedrückende daran war, dass sie Recht hatte.
    Die Archäologin schnaubte, atmete tief ein und griff sich einen feinen Pinsel. Damit entfernte sie Erdkrumen von den Schultern der Mumie. Konzentriert legte sie Schicht um Schicht frei. Deutlich zu erkennen war bereits jetzt, dass die Leiche aufrecht begraben worden war. Seltsam! Eine Vertiefung im linken Brustbereich ließ Daria innehalten. Sie pustete auf die Stelle und benutzte das spitze Ende des Pinsels, um Sand und Erde zu lösen. Unglaublich! Da steckte eine Spitze zwischen zwei Rippen fest, die verdächtig nach einem grünen Werkstoff aussah. Jade war es nicht und auch kein Obsidian. Daria kratzte mit einem Fingernagel am Grünspan und berührte ihn vorsichtig mit der Zungenspitze. Zum Schluss schupperte sie am Dreck unter ihrem Fingernagel. Eindeutig: Kupfer! Die kupferne Spitze eines Pfeils oder eines Speers hatte sich in die Brust des Türwächters gebohrt. Sofort liefen in Dr. Delfontes Wissenschaftler-Hirn die Synapsen heiß. Ein Neuronen-Schauer aus Spekulationen illuminierte ihr Großhirn. Maya-Tempel, Wikinger, Seefahrer, Entdecker, Söldner? Aufrecht bestattet, Notprogramm, Schatz, Abschreckung, Wächter, Mord…
    War der Nordmann am Ende so fern seiner Heimat einem Verbr echen zum Opfer gefallen?
     
     
    ***

6                 Carlos Ybarra Caldera
     
    war ein Meister der Posen. Er verehrte die Kunst. Aber besonders liebte er es, sich selbst affektheischend in Szene zu setzen. Wie ein altertümlicher Souverän thronte er breitbeinig auf einem Steinbaum auf der Empore unter der Glaskuppel seiner neuerbauten Kunsthalle, warf seinen Kopf so weit in den Nacken, dass sein Adamsapfel aus dem muskulösen Hals hervortrat und schluckte Champagner, weil man das Prickeln der Kohlensäure so am besten spürte. Gold glitzerte an seinen Fingern, an der Krawatte, in seinem Mund. Er beobachtete wie eine wässrige Sonne sich hinter neuen Wolkenwänden verbarg und lauschte dem Nahen des nächsten Regensturmes, der in

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