Die Maya-Midgard-Mission
befahren. Vogelgezwitscher übertönte die wenigen Motoren. Abdul hörte das Meer rauschen, lauschte einem Moment dem ewigen Spiel der Wellen, die sich an dem der Insel vorgelagerten Korallenriff brachen und freute sich über die Nähe dieser anderen, dieser atlantischen Wüste. Am Horizont ballten sich dicke, schwarze Wolken zusammen. Aber noch lachte der blaue Himmel über der Küste sie aus. Der Wind kam vom Hafen. Von der See. Es roch nach Fisch und Salz und Tang. Und nach Diesel. Abdul hatte wenig für Naturschönheiten übrig. Der Ölgestank rief ihm sein eigentliches Ziel wieder ins Gedächtnis. Er drehte sich um.
Gleißendes Sonnenlicht fiel in die Präsidentensuite des Eleuthera Grand Hotel und überflutete das Bett der falschen Comtesse mit entlarvender Helligkeit. Die schimpfte über das grelle Licht und zog sich die Decke bis zum Hals. Irgendwie musste er die Betrügerin für seine Zwecke einspannen, um sie später auf elegante Weise loszuwerden. Eine Idee nahm Gestalt an.
" Neunundsechzig", sagte er. "Das ist die Lösung. Wir nutzen einfach unsere besonderen Talente. Der alte 69-er Trick. Mit ein bisschen Glück, Gräfin Cristina, heißt es schon morgen: »Leinen los auf große Karibik-Kreuzfahrt!« Erinnerst du dich an den Cowboy mit Texas-Hut am Baccara-Tisch vergangene Nacht? Der Yankee hatte eine schwere Schlagseite und lallte ständig von seiner ehm Dépéndance in Bridgetown/Barbados. Wenn in seinen Aufschneidereien nur ein Funken Wahrheit steckt, ist der Bursche mehr als nur Schlepper des dortigen Casinos. Mindestens Teilhaber, wenn der Schuppen ihm nicht sogar gehört." Abdul Hamar redete sich in Rage. "Und er besitzt eine Yacht. Eine verdammte knallrosane 60-Fuß-Luxus-Dhau von Yacht. Und er hat keine Frau; außer der üblichen Motten, die ihn umschwirren. Ein Zuckerschlecken für dich, Gräfin. Der Kerl ist Nordamerikaner. Ich meine, was die Yanks noch nervöser machen kann als ein arabischer Ölprinz, ist eine Blaublütige mit Adelstitel und niedlichem Franz-Akzent."
" Niedlich? Zuckerschlecken? Soso! Und 'ne rosane Yacht. Paß bloß auf, du kaffebraunes 'Erzchen, dass du dich nicht von einem Pachouli-Schwuli watteweichen Schwindlärr vernaschen läßt."
Abdul Hamar verdrehte angew idert die Augen und stöhnte leise.
" Schon gut, Chéri. Ich 'ab dich gewarnt", sagte Cristina gedehnt und entledigte sich der Bettdecke. "Aber der alte Neunundsechziger könnte natürlich auch klappen. Hätte ich dir gar nicht zugetraut, 'Amar."
Der Araber lächelte feinsi nnig. "Dann bleiben wir also zusammen, Gräfin?"
" Bien sûr, 'Amar, naturellement, viens ici! Soixante-Neuf, n'est-ce-pas? Warum heißt der Neunundsechziger eigentlich so?"
" Weil sein Erfinder ihn neunundsechzig Mal praktiziert hat, ehe er aufgeflogen ist."
" Auf eine fruchtbare Zusammenarbeit, mein Gebieter", sagte Cristina, vergaß ihren Akzent und zog Abdul Hamar auf ihr Lager. "Wie bist du mir eigentlich auf die Schliche gekommen? Sind arabische Männer scharfsinniger als andere?"
Abdul löste sich aus Cristinas Griff und setzte sich auf einen Bambu sstuhl am Fenster. Nicht, dass er Cristinas weiße Brüste nicht länger zu schätzen gewußt hätte: Doch plumpe Intimitäten gehörten nicht mehr zu den Investitionen, die er für dieses Unternehmen tätigen würde. Draußen verdunkelte sich der Himmel rasend schnell.
" Nein, ich weiß schon", sagte Cristina, und begann sich anzukleiden. "Ich war zu aufdringlich. Zu stürmisch. Ich wollte endlich dein Schiff sehen. Irgendeinen Beweis deiner Ölmillionen. Ich habe dich nicht genug umgarnt. Zu sehr bedrängt. Pénétrant. Stimmt's?" Sie wusste, dass Hast schon immer ihre größte Schwäche war. Wenn man Erfolg im ihrem Beruf haben wollte – und sie wollte, Gott weiß wie –, konnte man sich Nachlässigkeiten und kleine Fehler, die aus Ungeduld resul-tierten, nicht erlauben. Mit Abstand die meisten Männer, egal welcher Hautfarbe oder Herkunft, wollten Bestätigung. Ständiges Lob und Anerkennung. Geduldige Bewunderung. Solange ihre Worte Beifall ernteten, ihre Taten Applaus fanden, solange ihre Qualitäten als Liebhaber verklärt und ihrem Ego geschmeichelt wurde, solange reagierten sie großzügig bis hin zur Verschwendungssucht. Aber wehe es entfleuchte der Herzensdame auch nur ein einziges Wort der Kritik, eine frotzelnde vielleicht im Übermut geäußerte Bemerkung: sofort begann der winzige Stachel sein zerstörerisches Werk, das nicht selten mit Exitus der Beziehung endete.
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