Die Maya-Midgard-Mission
helfen.
Kabyum Kin hatte begriffen, dass dieser magische Vogel sich niemals zähmen ließ, weil er sein Abbild aus aluna war. Und er selbst hatte sich schließlich auch niemals zähmen lassen. Nur so hatte er überlebt. Und so würde auch FeuerLicht überleben – und Chac Balam und alle die anderen Lieben. Der weiße Rabe würde über sie wachen. So gut und so lange es eben ging.
Kabyum Kin würde Ragnar den FeuerEis Mann und Caupolican den KriegerKaufmann bitten, FeuerLicht mit ihrer Erfahrung und ihrem Mut zur Seite zu stehen. Zusammen würden die drei über die Jadestraße ihren Weg zum Ruhm beschreiten. Und er würde beten, dass die Weisheit am Ende aller Gefahren die Tollkühnheit besiegen würde. Mehr konnte er nicht tun. Weiße Raben lassen sich niemals zähmen. Soviel stand fest.
Kabyum Kin erhob sich von seinem Lieblingsplatz im lachsfarbenen Sand unter dem Singenden Yaxche und begann den beschwerlichen Aufstieg zum Heiligen Berg. Der Sonnentempel unter der Wolke im Inneren des Heiligen Berges war ein Meisterwerk der Baukunst. Zu gerne hätte sich Kabyum Kin mit der Ehre geschmückt, der Baumei ster dieses vollendeten architektonischen Heiligtums zu sein. Aber unter seiner Anleitung hatten die Steinmetze und Bildhauer lediglich die Inneneinrichtung dieses Weltwunders geschaffen. Die wahren Erbauer hatten alleine ihre in Stein gemeißelte Handschrift hinterlassen. Ansonsten konnten Kabyum Kin und seine Sonnenkinder keine Spuren einer früheren Besiedelung des MorgenrotLandes entdecken. Manchmal erschien es Kabyum Kin, als harre der Sonnentempel seiner ihm zugedachten Bewohner, als warte die schöne Welt auf neues Sein. Cucul Patz Kin, seine Frau, bestand darauf, dass der Tempel als Schrein für die Bücher der Sieben Sonnen dienen solle. Aber sie behauptete auch, dass diese Bücher der Weisheit noch oft verloren gehen würden, um erst zum Ende der Sechsten Sonne endgültig gefunden zu werden. Sie hatte diese Visionen in ihrem Fastenmonat um die letzte TagundNachtgleiche im Innern des Tempels empfangen und danach heimlich mit einem Gedächtnisprotokoll der Bücher begonnen. Kabyum Kin wusste, dass nicht Misstrauen der Grund für die Heimlichtuerei seiner Frau war. Sie plante irgendeine Überraschung. Und er würde ihr die Freude nicht nehmen.
Die 125 Einwohner des MorgenrotLandes hatten ihre Festtagskle idung angelegt und sich am Strand versammelt. In bunten Baumwollgewändern, geschmückt mit den fremdartigen Federn der einheimischen Vögel, die Männer mit Stirnbändern aus Sisal, die Frauen mit geflochtenen Zopfbändern, die mit Jadeperlen und kleinen Muscheln bestickt waren, die Kinder mit Lendenschurz und Bananenblättern als Kopfbedeckung, so hatten sie sich zu Ehren ihres unvergessenen Retters und Freundes eingefunden.
FeuerLicht, der Sohn Kabyum Kins, führte das Empfangskomitee an. Er saß am Strand des MorgenrotLandes auf einem Hocker aus edlem Holz im Schatten des Lieblingsbaumes seines Vaters. Der weiße Rabe hatte Kabyum Kin die Ankunft ihrer Wikinger-Freunde verkündet. FeuerLichts Aufgabe war es, die Ankömmlinge und das Inselvolk zum Sonnentempel zu geleiten, wo sein Vater und Cucul Patz Kin bereits die Vorbereitungen für das lang ersehnte Weihefest trafen. Wenn man ganz genau über das glitzernde Wasser hinweg schaute, ließ sich zw ischen der Weißen und der Krummgelbfrucht-Insel das prall mit Wind gefüllte Tuch erkennen, das Ragnar Segel nannte. FeuerLicht hatte dem FeuerEisMann bei seinen Besuchen stets sehr genau zugehört. Er wusste alles über das Drachenboot, und er kannte sich sogar schon ein bisschen in der Kunst des Seefahrens aus. Leider nicht aus eigenem Erleben, sondern nur aus den Erzählungen des tollkühnen Wikingers. Aber FeuerLicht war fest entschlossen, es dem Freund gleich zu tun und ein Leben voller Abenteuer und Gefahren zu bestehen. Diesmal würde er Ragnar begleiten.
Das Drachenboot des FeuerEisMannes näherte sich majestätisch über die blaue See, glitt über die vom Passatwind gekräuselte Wasserobe rfläche wie ein Jaguar durch das Dickicht des Dschungels. FeuerLichts Augen glänzten, und er spürte wie die Vorfreude seine Wangen zum Glühen brachte. Die fließende Eleganz der Bootsmanöver, die scheinbare Leichtigkeit, mit der die Seeziege – wie Ragnar sein Drachenboot beinahe zärtlich nannte – über die Meere schwebte erfreute den Häuptlingssohn immer wieder. Schon holten die Nordmänner das Segel ein. Zehn Ruderblätter durchpflügten die See und
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