Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
Vom Netzwerk:
Haare? Stimmt es, dass die Maiskolben dort so groß sind wie mein Unterarm und die Tapire, Leguane und Hirsche zahlreicher als Susi-Nüsse?"
    Kabyum Kin streichelte den muskulösen Nacken seines Sohnes, zog ihn zu sich herüber und drückte ihm in einem Ausdruck liebevoller Zuneigung einen Kuss auf den glänzenden Haarschopf. Lange würde der Junge, der schon fast zum Mann gereift war, sich diese Geste v äterlicher Liebe nicht mehr gefallen lassen. Und lange würde er sich auch nicht mehr mit den Geschichten der Frauen am Feuer zufrieden geben. Er würde selber Geschichten erzählen; seine eigenen Talente beschwören; mit seinen Pfunden wuchern wollen. Kabyum Kin sah es genau: Sein Sohn würde reden; die Menschen mit der Macht seiner Worte bezaubern und überzeugen. Er würde ein Baumeister werden wie sein Vater. Doch FeuerLicht würde keine Häuser bauen. Und auch keine Boote. Er würde Ideentempel errichten. Und Gedankengebäude vor den Augen seiner Zuhörer entstehen lassen. Cucul Patz Kin hatte es in jener Nacht geweissagt: "FeuerLicht wird der Führer eines Volkes werden." Seine Einfälle, seine Erleuchtungen, seine Geistesblitze würden das Leben dieser Menschen erhellen. FeuerLicht war fähig, die ihm Anvertrauten mit seiner Begeisterung und der Kraft seiner Sprache der nächsten Sonne entgegenzutragen. Der alte Mann wusste das nur zu gut. Auch er war einmal jung gewesen. Er verstand, dass er nichts am Lauf dieser Dinge ändern konnte. Er würde sich wie immer darauf beschränken, seine alten Knochen von der Sonne bescheinen zu lassen und dem fröhlichen Treiben der einfachen Menschen auf seinen Inseln zuzuschauen. Trotzdem würde er nie aufgeben, eines Tages doch noch einen weißen Raben zu zähmen. Zuweilen würde das Auf und Ab seiner Stimmungen die Erinnerung an dunkle Zeiten beschwören. Aber Kabyum Kin würde diese Trauer und Schreckensbilder zulassen, um das an ihrem Ende stets hochperlende Glücksgefühl – ein tiefes inneres Frohlocken – voll auszukosten. FeuerLicht lebte. Ragnars Teekräuter und Cucul Patz Kins Liebe hatten ihn gerettet. Sein Lebenslicht leuchtete heller denn je. Und die Liebe hatte Kabyum Kin sogar noch einen weiteren Sohn geschenkt: Chac Balam, das erstgeborene Kind im MorgenrotLand.
    " Eine gute Rede, mein Sohn", sagte er. "Kluge Fragen. Berechtigte Fragen. Lauf, und hole deine Brüder und Schwestern. Der FeuerEisMann naht. Empfangt ihn am Strand und dann folgt mir auf den Heiligen Berg. Hole alle zusammen! Die weiße Wolke und ihr Rabe haben mir den Weg zum Sonnentempel gewiesen. Wir wollen uns versammeln, um dem Kinich Ahau zu opfern und unseren weiteren Weg zu beleuchten. Lauf los, mein Junge! Bringe auch Cucul Patz Kin, meine Frau, und Caupolican, den KriegerKaufmann, mit. Sag ihnen, dass die Zeit gekommen ist, von den Tagen zu erfahren, als Kabyum Kins Name NebelGeist war, als unser Traum den Sieben Sonnen galt, als unsere Zukunft in den Händen des FeuerEisMannes lag. Die Schreiber sollen aufzeichnen, was ich euch berichten kann, solange mein Geist noch klar ist und nicht vom Nebel der Zeit verschleiert. Lauf zu, FeuerLicht, mein großer Sohn."
    In einer Mischung aus Trauer und Stolz sah Kabyum Kin seinem Sohn nach. Geschmeidig, kraftvoll und elegant lief er davon: mit der Maje stät eines Jaguars; aber auch mit der Wildheit und dem Ungestüm dieses herrlichen Tieres. Der alte Mann brauchte nicht die Eingebungen seines Geisttiers oder die hellseherischen Fähigkeiten Cucul Patz Kins, um zu sehen, dass sein Sohn das MorgenrotLand verlassen würde, um in die Heimat seines Vaters und seiner Vatersväter zurückzukehren. Er würde geraden Schrittes nach Toxtlipan gehen, hocherhobenen Hauptes den Gefahren entgegenblicken. Vielleicht würde er für immer bleiben. Vielleicht würde er die alten Herren aus dem DreiKönigReich Cobá, Toxtlipan und Yaxuná vertreiben. Vielleicht würde er ein weiserer Führer werden. Aber mit Sicherheit würde er sein Leben geben, um die verloren gegangenen Bücher der Sieben Sonnen in den Besitz ihrer würdigen Bewahrer, der Maya des MorgenrotLandes, zu überführen. Davon würden ihn weder die Ängste eines alten Mannes noch der Schmerz eines Vaters abbringen können. FeuerLicht war der Mann, seinen Überzeugungen zu folgen; so schmerzlich das auch sein würde. Und Kabyum Kin würde nicht so selbstsüchtig sein, seinem Sohn die Zukunft zu verbauen. Er würde ihn unterstützen, und er würde ihn beschützen. Der weiße Rabe könnte

Weitere Kostenlose Bücher