Die Maya-Midgard-Mission
man ihm als Dolmetscher zugeteilt hatte. Manolito war der Bankert eines spanischen Vaters und einer indianischen Mutter, das erste Kind einer neuen Rasse, die nach Federmanns Einschätzung dereinst den gesamten Kontinent bevölkern würde.
Manolito hatte sich während der vergangenen Monate als äußerst fle ißig und nützlich erwiesen, so dass Federmann den aufgeweckten Jungen schnell in sein Herz geschlossen hatte. Den Indios, denen er das Wort des Kaisers brachte, hatte der kleine Bursche offensichtlich auch gefallen. Und Federmann rechnete einen nicht geringen Teil des Erfolgs seiner jüngsten Reisen Manolitos Sprachgeschick zu und dessen Begabung, sich in die Herzen aller Menschen zu schleichen. Eitel Melchior Federmann nahm allen Mut zusammen und kämpfte sich gegen das wild in den Wellen stampfende Schiff hoch, um einen vorsichtigen Blick nach achtern zu werfen. Die Männer hatten die Kämpfe eingestellt und waren vollauf damit beschäftigt, sich an allen erreichbaren Seilen, Tauen, oder sonstigen fest verankerten Gegenständen festzuhalten, da sie die ständig hereinstürzenden Fluten ansonsten schon längst hinweggespült hätten. Dann wischte Federmann sich das Salzwasser aus den Augen und lugte nach vorn. Ihm stockte der Atem. Doch schon einen Augenblick später riss er seinen Dolch aus der Scheide und durchtrennte mit einem entschlossenen Schnitt das Tau, mit dem die Jolle ans Mutterschiff gezurrt war. Schnell duckte er sich wieder, nahm den zitternden Jungen in die Arme und sagte: "Nun können uns nur noch deine Götter helfen, Manolito."
Die Steilküste der Insel, die viele Menschenleben später Malbay g enannt werden und auch über die Jahrhunderte nichts von ihrer Gefährlichkeit einbüßen sollte, tauchte wie eine Mauer direkt über dem Bugspriet der todgeweihten Karavelle auf. Was Federmann im Höllenbrei der Brecher und Böen nicht hatte erkennen können, weil die kochende See sie keinen Blicken preisgaben, waren die aus erkalteter Lava gebildeten und vom Wetzstein der Strömungen und Gezeiten geschärften, zackigen Unterwasserriffe, die die Insel wie ein Wehr von Haifischzähnen umkränzten. Die Espléndido Ganancia durchpflügte ein Wellental; sie schaffte es kaum, sich über die Brecher, die immer noch von allen Seiten auf sie einzuprasseln schienen, zu erheben; ihrem Rumpf entrang sich ein letztes Ächzen, und mit furchtbarer Gewalt drückte der Hurrikan den hölzernen Leib auf die mörderischen Riffe, wo er wie von einer Riesenfaust zerschmettert, zerbrach.
Als hätte dieses Opfer die rasenden Me eresgötter besänftigt, flaute der Sturm schon wenige Minuten nach der Vernichtung des Schiffes endgültig ab. Sichtbare Überbleibsel der Katastrophe waren nur die aufgepeitschten Wellen sowie einige wenige Wrackteile, die auf ihnen tanzten: ein Fass, ein geborstener Mast und eine winzige Jolle. Alles andere – Menschen und Material – hatte der Atlantik für immer verschlungen.
Ungläubig starrten Eitel Melchior Federmann und der Mestize Man olito auf die dunkle See. Die Dünung schien ihre schlimmsten Wutanfälle ausgetobt zu haben. Die Naturgewalten hatten sie gepackt und wieder losgelassen. Noch vor einer Minute hätte Federmann nicht sagen können, durch welches Element sie nun gerade geschleudert wurden: die ganze Welt war ein brodelndes Inferno – auch ohne Flammen hielt das Meer Höllenbrünste für die bereit, die seine Macht missachteten.
" Wir haben es überlebt, wir haben es tatsächlich überlebt", stammelte der kaiserliche Beamte.
" Wann diese Insel von Kariben bewohnt, es uns nichts nützen", sagte Manolito, der sich mit der Kraft der Jugend bereits neuen Problemen zuwandte.
" Oh mein Gott", stöhnte Federmann. "Werden sie uns auffressen?"
" Dich fressen", meinte Manolito mit einem abschätzenden Blick. "Mich mästen und wie Hündchen halten."
" Wir haben ohnehin keine Chance, die Jolle an Land zu steuern. Gegen diese Klippen kommen wir nicht an."
" Müssen aber. Kein Wasser, kein Mais, kein gar nix. Diese Insel hat Berge, dann auch viel süßes Wasser. Hier!" Manolito drückte Eitel Melchior Federmann, dem schiffbrüchigen Rechtsbeauftragten des Kaisers, das einzige Ruder, das der Wirbelsturm ihnen gelassen hatte, in die Hand.
Seufzend ergab Melchior sich seinem Schicksal; und es bereitete ihm das Abenteuer seines Lebens.
C.M., August '30
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19 William Peter Kautsky
liebte es, Kapitän zu spielen. Vor allem, wenn er alleine losschippern
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