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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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unvorsichtiger Passagier gingen über Bord. Im Schutze des Achterdecks stemmten sich drei Männer verzweifelt gegen die verrückt spielende Ruderpinne, und kämpften, um das Schiff nicht länger breitseits dem tosenden Orkan auszusetzen. Fast wäre ihnen das Rettungsmanöver gelungen; doch im letzten Moment, als die Espléndido Ganancia sich gerade wieder aufrichten wollte, verrutschte ein Teil ihrer Ladung. Die umherschleudernden Gold- und Silberkisten krachten mit der Gewalt von Kanonenkugeln gegen die Beplankung der Bordwand und zerschlugen sie gleich an mehreren Stellen. Die Espléndido Ganancia nahm Wasser, und noch ehe der Sturm abflaute war es zu spät, den Schaden schnell zu beheben: das gesamte hintere Ladedeck stand unter Wasser. Zu allem Übel hatte der Orkan das Schiff weit von seinem Kurs abgebracht, das obere Kompasshaus vom Poopdeck in die Tiefe der See geschleudert und fast alle Segel zerfetzt. Das Gros der wichtigen Navigationsinstrumente war verloren, das Schiff – leckgeschlagen und manövrierunfähig – dem Tode geweiht.
    Eitel Melchior Federmann hatte Schutz auf dem Backsdeck in einer winzigen Jolle, die die Mannschaft für Seebestattungen nutzte, gesucht und sich unter der Ruderbank verkrochen. Stand, Stellung oder Ans ehen waren ihm völlig gleichgültig; er war heilfroh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Der Sturm schien verschwunden, und eine bleierne Stille senkte sich über die Espléndido Ganancia . Es war, als befänden sie sich unter einer gläsernen Glocke. Sogar die See hatte aufgehört zu rauschen.
    Melchior kannte die Befehle des Kapitäns. Don Alfonso war gewi esen, unverzüglich die kleinen Antillen anzusteuern, an ihrer östlichen Flanke nordwärts zu segeln, um die querab von Steuerbord wehenden Passatwinde gut zu nutzen, und um dann in den Breiten der Bermudas irgendwann Mitte Juli auf eine riesige, unter dem Schutz von kaiserlichen Kriegsschiffen in Richtung Heimat fahrende und in dieser Größe erstmalig zusammengestellte Flotte zu stoßen. Federmann selbst sollte das Schiff wechseln, um an Bord der Facilidad auf schnellstem Wege nach Florida zu gelangen, wo er den dort ansässigen Indios ebenfalls die Nuevas Leyes verkünden sollte. Angesichts der Katastrophe dämmerte es Melchior, dass dieses Ziel kaum mehr zu verwirklichen war, und die waidwunde Espléndido Ganancia mit ihren Schätzen stattdessen eine willkommene Prise für Bukaniere, Piraten, Freibeuter und all die anderen menschlichen Geier, die in diesen Gewässern ihr Unwesen trieben, böte.
    Auch die Leute an Bord erwachten aus ihrer Lethargie. Die meisten wussten, dass sie wenig Chancen hatten, mit dem Leben davonz ukommen. Auf einmal hörte Melchior die Stimme von Veit Pestien.
    " Schneidet mich los, ihr räudigen Hurensöhne!", schrie der Söldner mit furchterregendem Bass. "Wir übernehmen jetzt dieses gottverfluchte spanische Wrack und zeigen den Pfeffersäcken, was eine deutsche Höllenfahrt ist. Dort hinten ist Land in Sicht."
    Melchior hütete sich, seinen Kopf zu heben. Aber offenbar folgten mehrere Männer den Befehlen Pestiens; denn dem Lärm nach zu urte ilen, entfachte ein erbitterter Kampf, der sich schon bald auf die drei größeren Beiboote der Karavelle konzentrierte, die fest über dem Hauptluk verzurrt waren. Binnen Minuten kämpfte Mann gegen Mann; ein wildes Hauen und Stechen, begleitet vom Stöhnen Sterbender und dem Angstwimmern und Schmerzgeschrei der Verwundeten, erschütterte das Schiff.
    Eitel Melchior Federmann kroch noch tiefer in die Jolle hi nein. Jeden Augenblick fürchtete er von Kämpfenden entdeckt, oder schlimmer noch, in die Kampfhandlungen verstrickt zu werden. Der Hurrikan kam ihm zu Hilfe. Die ganze Zeit der furchtbaren Stille über hatte die Karavelle sich im Zentrum des Sturms befunden, in seinem Auge. Doch nun hieben die brutalen Böen mit doppelter Macht auf die Espléndido Ganancia ein, trieben das sterbende Schiff gegen die Klippen, die am Horizont gefährlich schnell heranschossen und gierig wie die Fangarme einer Riesenkrake nach dem zerbrechlichen Holzgerippe griffen, es zu zerschmettern drohten, noch bevor die Menschen an Bord begriffen, dass sich tödlichere Gewalten als Musketen, Dolche und Säbel ihrer Vernichtung angenommen hatten.
    Eitel Melchior Federmann sah sein Ende nahen und spürte kaum, das seine Jolle einen neuen Passagier bekommen hatte. Das feuchte Bü ndel, das sich zu seinen Füßen kauerte, war Manolito, ein zehnjähriger Junge aus Yukatan, den

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