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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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essen. Die essen tatsächlich«, flüsterte er Tommy zu.
    Eine ganze Reihe von älteren Männern und Frauen füllte sich ruhig und langsam ihre Teller. Joan Cross in ihrem Rollstuhl war auch da. Sie hatte geweint. Und da war der entsetzliche Timothy Hollingshed, der wie immer seine ungezählten Titel im Gesicht trug, der arrogante Bastard, und dabei besaß er keinen Penny.
    Elvera kam mit einer Rotweinkaraffe durch die Menge. Gläser standen auf dem Sideboard. Ja, das ist was, das ich gebrauchen kann, dachte Marklin. Diesen Wein kann ich gut gebrauchen.
    Plötzlich dachte er daran, frei zu sein, im Flugzeug nach Amerika, entspannt und in Socken, während die Stewardeß ihn mit Drinks und köstlichem Essen traktierte. Nur noch ein paar Stunden.
    Die Glocke läutete immer noch. Wie lange sollte das dauern? Ein paar Männer in seiner Nähe sprachen Italienisch, sie waren alle eher klein. Die alten, bärbeißigen Briten waren auch da, Aarons Freunde, die meisten inzwischen im Ruhestand. Und dort war eine junge Frau – na ja, zumindest sah sie jung aus. Schwarzes Haar, stark geschminkte Augen. Ja, wenn man genau hinschaute, sah man, daß es lauter langjährige Ordensmitglieder waren, aber nicht nur gebrechliche. Da stand Bryan Holloway aus Amsterdam, und dort die anämischen, froschäugigen Zwillinge, die von Rom aus operierten.
    Überall hörte man leises Murmeln: Aaron hier, Aaron da… Aaron immer geliebt, immer verehrt.
    Marcus hatten sie anscheinend völlig vergessen – und das war nur recht so, dachte Marklin; wenn sie bloß wüßten, wie billig er sich hatte kaufen lassen.
    »Nehmen Sie einen Schluck Wein, bitte, meine Herren.« Elvera deutete auf die zahllosen Reihen der Kristallgläser. Alte, langstielige Gläser. All die antike Pracht. Sieh doch nur, die ehrwürdigen Silberbestecke mit ihren tiefen Ziselierungen. Und da, die alten Teller, wahrscheinlich aus irgendeinem Tresorgewölbe heraufgeschleppt, randvoll mit Toffee und Zuckergusstorten.
    »Nein, danke«, sagte Tommy knapp. »Ich kann nicht essen mit einem Teller in der einen und einem Glas in der anderen Hand.«
    Jemand lachte im leisen Gemurmel und Geflüster ringsumher. Noch eine Stimme übertönte die anderen. Joan Cross saß einsam inmitten der Versammlung und hatte die Stirn auf die Hand gestützt.
    »Aber wen betrauern wir hier?« fragte Marklin im Flüsterton. »Aaron oder Marcus?« Er mußte etwas sagen. Das Licht der Kerzen war aufreizend grell in all der verschwimmenden Dunkelheit um ihn herum. Er blinzelte. Den Duft von reinem Wachs hatte er immer geliebt, aber das hier war zuviel, es war absurd.
    Blake und Talmage diskutierten ziemlich hitzig in einer Ecke. Hollingshed trat zu ihnen. Soweit Marklin wußte, waren sie Ende Fünfzig. Wo waren nur die anderen Novizen? Nirgends zu sehen. Nicht einmal Ansling und Perry, die aufgeblasenen kleinen Monster. Was sagt dir dein Instinkt? Hier stimmt etwas nicht, und zwar ganz und gar nicht.
    Marklin ging Elvera nach und hielt sie am Ellbogen fest.
    »Erwartet man, daß wir hier sind?«
    »Natürlich.«
    »Aber wir sind nicht richtig angezogen.«
    »Das macht nichts. Hier, trinken Sie etwas.« Diesmal drückte sie ihm ein Glas in die Hand. Er stellte seinen Teller auf die Kante des langen Tisches. Wahrscheinlich ein Verstoß gegen die Etikette; niemand sonst hatte es getan. Und, lieber Gott, sieh dir diesen Überfluß an. Da war ein mächtiger gebratener Eberkopf mit einem Apfel im Maul, und dampfende Spanferkel, umgeben von Früchten, lagen auf einer silbernen Platte. Die Vielfalt der Fleischdüfte war köstlich, das mußte er zugeben. Er bekam wirklich Hunger! Wie absurd.
    Elvera war weg, aber Nathan Harberson stand sehr dicht neben ihm; das bemooste Haupt schaute aus luftiger Höhe auf ihn herab.
    »Macht der Orden das immer?« fragte Marklin. »Daß er ein solches Bankett gibt, wenn jemand stirbt?«
    »Wir haben unsere Rituale«, sagte Nathan Harberson in beinahe traurigem Ton. »Wir sind ein uralter Orden. Wir nehmen unsere Gelübde ernst.«
    »Ja, sehr ernst«, sagte einer der glotzäugigen Zwillinge aus Rom. Das war Enzo, nicht wahr? Oder Rodolpho? Marklin wußte es nicht mehr. Die Augen erinnerten ihn an einen Fisch – zu groß, um noch Ausdruck zu haben, deuteten sie nur noch auf eine Krankheit hin. Wenn man sich vorstellte, daß es beide erwischt hatte… Und wenn beide Zwillinge lächelten, wie sie es jetzt taten, sah es ziemlich scheußlich aus. Ihre Gesichter waren faltig und dürr. Aber es

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