Die Mayfair-Hexen
Ziel durchaus getroffen. Aber sie war nicht tödlich. Und er ist wieder zu Hause.«
»Ihr wart Gordons Komplizen«, sagte Hollingshed verächtlich. »Ihr beide. Und nur noch ihr beide seid übrig.«
»Seine Komplizen«, sagte Yuri auf der anderen Seite des Tisches. »Seine gescheiten Schüler, seine Genies.«
»Nein!« rief Marklin. »Das ist nicht wahr! Wer klagt uns denn an?«
»Stuart hat euch angeklagt«, sagte Harberson. »Die Papiere, die in seinem Turm verstreut waren, klagen euch an, sein Tagebuch klagt euch an, seine Gedichte klagen euch an, und Tessa klagt euch an.«
Tessa!
»Wie könnt ihr es wagen, in sein Haus einzudringen!« donnerte Tommy und funkelte rot vor Wut in die Runde.
»Ihr habt Tessa nicht! Das glaube ich euch nicht!« schrie Marklin. »Wo ist Tessa? Es war doch alles nur für Tessa!« Und als ihm sein schrecklicher Fehler bewußt wurde, erkannte er, was er die ganze Zeit gewußt hatte.
Warum hatte er nicht auf seinen Instinkt gehört? Sein Instinkt hatte ihm geraten, zu verschwinden, und jetzt sagte sein Instinkt ihm ohne jeden Zweifel: Es ist zu spät.
»Ich bin britischer Staatsbürger«, erklärte Tommy flüsternd. »Ich lasse mich hier nicht von einer Bürgerwehr vor Gericht stellen.«
Sogleich geriet die Menge in Bewegung und schob sie langsam vom oberen zum unteren Ende des Tisches. Hände hatten Marklins Arme ergriffen. Dieser unsägliche Hollingshed hatte ihn gepackt. Er hörte, wie Tommy wieder protestierte – »Loslassen!« -, aber es war jetzt völlig vergebens. Man drängte sie in den Korridor hinaus und immer weiter; das weiche Getrappel der Füße auf den gebohnerten Dielen hallte bis unter die hölzernen Bögen. Es war ein Mob, der ihn ergriffen hatte, ein Mob, vor dem es kein Entrinnen gab.
Mit lautem metallischem Scharren und Dröhnen wurden die Türen des alten Aufzugs aufgerissen. Marklin wurde hineingeschoben und drehte sich panisch um sich selbst; Klaustrophobie packte ihn, so daß er schon wieder schreien wollte.
Aber die Türen schlossen sich. Er und Tommy standen aneinandergedrängt da, umringt von Harberson, Enzo, Elvera, dem großen Dunkelhaarigen, Hollingshed und mehreren anderen, kräftigen Männern.
Der Aufzug schaukelte klappernd abwärts. In den Keller.
»Was haben Sie mit uns vor?« fragte er plötzlich.
»Ich bestehe darauf, daß man uns auf der Stelle wieder hinaufbringt«, sagte Tommy verächtlich. »Ich verlange unsere unverzügliche Freilassung.«
»Es gibt Verbrechen, für die wir keine Worte haben«, sagte Elvera leise und schaute dabei Tommy an. »Bestimmte Dinge, die wir als Orden unmöglich vergeben oder vergessen können.«
»Was soll denn das bedeuten? Das wüßte ich gern!« sagte Tommy.
Der schwere alte Fahrstuhl kam mit einer ruckartigen Erschütterung zum Stehen. Im nächsten Augenblick waren sie draußen im Gang; die Hände umklammerten schmerzhaft Marklins Arme.
Man führte sie auf einem unbekannten Weg durch die Kellergewölbe und einen Korridor hinunter, der wie ein Bergwerksstollen mit rohen Holzstreben abgestützt war. Der Geruch von Erde umgab sie. Alle anderen waren jetzt neben oder hinter ihnen. Am Ende des Ganges sahen sie zwei Türflügel, große Holztüren unter einem niedrigen Bogen, fest verriegelt.
»Glauben Sie, Sie können mich hier gegen meinen Willen festhalten?« fragte Tommy. »Ich bin britischer Staatsbürger.«
»Ihr habt Aaron Lightner ermordet«, sagte Harberson.
»Und ihr habt in unserem Namen andere ermordet«, sagte Enzo. Und da, neben ihm, war sein Bruder und wiederholte seine Worte wie ein irres Echo.
»Ihr habt uns beschmutzt in den Augen anderer«, sagte Hollingshed. »Ihr habt in unserem Namen unsagbare Frevel begangen.«
»Ich streite alles ab«, sagte Tommy.
»Wir brauchen euer Geständnis nicht«, sagte Elvera.
»Wir brauchen überhaupt nichts von euch«, sagte Enzo.
»Aaron ist gestorben, weil er euren Lügen geglaubt hat!« sagte Hollingshed.
»Verdammt, das lasse ich mir nicht bieten!« brüllte Tommy.
Aber Marklin brachte es nicht mehr über sich, Entrüstung zu heucheln, Empörung, oder was immer er sonst hätte zeigen müssen, weil sie ihn hier gefangen hielten und auf die Tür zuschoben.
»Moment, warten Sie doch, bitte nicht. Warten Sie«, stammelte er flehentlich. »Hat Stuart Selbstmord begangen? Was ist mit ihm passiert? Wenn Stuart hier wäre, würde er uns entlasten. Sie können doch nicht ernsthaft glauben, daß jemand, der so viele Jahre wie Stuart…«
»Spar
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