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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Überlebenden der bitteren Kälte. Der Tanz war etwas Heiliges geworden. Alles war zu etwas Heiligem geworden. Gleichwohl war dies eine großartige, erregende Zeit.
    Alle, die unser Leben mit uns teilen wollten, schlössen sich uns an, und wir waren bald so viele, daß wir jede Invasion zurückdrängen konnten; tatsächlich rief der erste ungeheure Stein auf unserer Ebene solche Begeisterung hervor, daß andere Taltos kamen, um zu beten oder sich unserem Kreis anzuschließen oder auch nur zuzuschauen, statt uns einen Teil der Ebene zu rauben.
    Der Bau des Steinkreises wurde zur Kulisse unserer Entwicklung.
    In diesen Jahrhunderten erreichte unser Leben seinen Höhepunkt. Wir gründeten unsere Siedlungen überall in der Ebene, so daß wir den großen Steinkreis leicht zu Fuß erreichen konnten, und trieben unser Vieh in kleine Gehege. Wir pflanzten Holunderbeeren und Schlehdorn um unsere Lager, und aus den Lagern wurden Festungen.
    Wir sorgten dafür, daß die Toten ordentlich begraben wurden, ja, wir legten in dieser Zeit sogar einige unterirdische Gräber an. Überhaupt machten sich die Folgen einer dauerhaften Ansiedlung bemerkbar. Wir fingen zwar nicht mit der Töpferei an, aber wir kauften viele Töpfe von anderen Taltos, die behaupteten, sie hätten sie von den kurzlebigen behaarten Wesen gekauft, die in Booten aus Tierhäuten an die Küste kamen.
    Bald kamen Stämme aus ganz Britannien und bildeten den lebenden Kreis des Tanzes in unserem Steinkreis.
    Aus den Tanzkreisen wurden langgezogene, gewundene Prozessionen. Man glaubte, daß es Glück bringe, in unserem. Kreis zu gebären. Handel und Wohlstand kamen zu uns.
    Unterdessen wurden weitere große Steinkreise in unserem Land errichtet. Riesige und wunderbare Kreise, aber keiner, wirklich keiner kam dem unseren gleich. Irgendwann in dieser produktiven und wunderbaren Ära wurde bekannt, daß der unsrige in der Tat der Kreis aller Kreise war; die Leute trachteten nicht mehr danach, ihn zu übertreffen, sondern sie wollten ihn nur noch sehen, darin tanzen und sich der Prozession anschließen, die sich durch die Tore aus aufrecht stehenden Steinen und Querblöcken schlängelte.
    Natürlich ist Ihnen klar, daß unser Kreis heute Stonehenge heißt. Er und viele andere unserer heiligen Steinkreise stehen ja noch heute. Aber ich will Ihnen etwas erläutern, was vielleicht nur für Stonehenge-Experten offenkundig ist. Wir haben nicht alles gebaut, was heute da ist oder heutigen Mutmaßungen nach einmal da war.
    Wir haben nur zwei Kreise aus Sandsteinen errichtet, die anderswo gebrochen worden waren – unter anderem in den fernen Marlboro Downs, aber auch in Amesbury, das ganz in der Nähe von Stonehenge liegt. Der innere Kreis bestand aus zehn aufrechten Steinen, der äußere aus dreißig. Und über die Frage, ob Querblöcke auf solche Steine gelegt werden sollten, gab es große Debatten. Wir waren von Anfang an dafür, aber ich habe sie nie besonders geschätzt. Ich hatte von einem Kreis geträumt, dessen Steine Männer und Frauen darstellen sollten. Jeder Stein sollte ungefähr zweimal so groß wie ein Taltos sein und so dick, wie ein Taltos groß ist. Das war meine Vision.
    Aber auf andere unseres Stammes wirkten die Querblöcke wie ein Schutz; sie erinnerten sie an den großen Vulkankrater, dessen Wände einst das tropische Tal des verlorenen Landes geschützt hatten.
    Spätere Völker bauten den Kreis der Blausteine und etliche andere Formationen in Stonehenge. Zu einer Zeit war unser gesamter offener Tempel, den wir so liebten, von einer Art Holzgebäude umschlossen, das ein wilder Menschenstamm gebaut hatte. Und nur ungern denke ich an die blutigen Rituale zurück, die dort verübt wurden. Aber damit hatten wir nichts zu tun.
    Was die Embleme angeht, die in die Steine eingraviert wurden, so haben wir nur eines davon benutzt, auf einem zentralen Stein, der längst nicht mehr da ist. Es war ein Symbol des guten Gottes mit Brüsten und Phallus, und es war tief eingemeißelt und für einen Taltos erreichbar, so daß er es auch im Dunkeln ertasten konnte.
    Später brachten Menschen noch andere Gravierungen auf den Steinen an, wie sie Stonehenge überhaupt zu anderen Zwecken benutzten.
    Aber ich kann Ihnen sagen, daß niemand – weder Taltos noch Mensch noch irgendeine andere Spezies – je unseren großen Kreis besucht hat, ohne ein gewisses Maß an Respekt aufzubringen oder in seinem Inneren die Anwesenheit des Heiligen zu spüren: Lange vor seiner Vollendung war

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