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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Steine würden wir suchen, so schworen wir uns, die so groß wären, daß keiner sie je von der Stelle bringen oder es auch nur versuchen würde.
    Unsere Kreise verrieten Ehrgeiz und Einfalt – unsere Freude am Tanz und unsere Bereitwilligkeit, für das Territorium des Stammes zu kämpfen und zu sterben.
    Unsere Grundwerte waren zwar seit den Tagen der verlorenen Heimat unverändert geblieben, aber sie waren um bestimmte Rituale herum erstarrt. So war es nun für alle Pflicht, bei der Geburt eines neuen Taltos anwesend zu sein. Das Gesetz gebot, keine Frau dürfe mehr als zwei Kinder zur Welt bringen. Das Gesetz gebot, daß Ehrfurcht und Sinnlichkeit mit diesen Geburten verknüpft sei; tatsächlich wurde oft eine beträchtliche sexuelle Euphorie erreicht.
    Der neue Taltos galt als Omen; war er nicht makellos an Leib und Gliedern, schön anzusehen und vollständig ausgewachsen, so legte sich eine schreckliche Furcht über das Land. Das vollkommene Neugeborene war wie früher ein Segen des guten Gottes, aber, sehen Sie, unser Glaube hatte sich verfinstert. Und wie er sich verfinsterte, wie wir lauter falsche Schlüsse aus ganz natürlichen Ereignissen zogen, so verfinsterte sich auch unsere Besessenheit in der Beschäftigung mit den großen Steinkreisen, unser Glaube daran, daß sie dem guten Gott wohlgefällig seien und eine moralische Notwendigkeit für den Stamm.
    Endlich kam das Jahr, in dem wir uns in der Ebene niederließen.
    Es war im Süden Britanniens, dort, wo heute Salisbury liegt. Das Klima war uns angenehm, das beste, das wir bis dahin gefunden hatten. Die Zeit? Vor der Ankunft der Menschen.
    Wir wußten inzwischen, daß der Winter immer bei uns sein würde; wir hielten es nicht mehr für möglich, daß man irgendwo auf der Welt dem Winter entkommen könne. Wenn man darüber nachdenkt, so ist es eine völlig logische Annahme. Ach, in dieser Gegend von Britannien waren die Sommer am längsten und am süßesten, das wußte ich jetzt aus erster Hand. Die Wälder waren dicht und voller Wild, und das Meer war auch nicht weit entfernt.
    Herden von wilden Antilopen wanderten über die Ebene.
    Hier beschlossen wir, uns für immer anzusiedeln.
    Der Gedanke daran, ständig auf der Wanderschaft zu sein, um Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen oder der Nahrung nachzujagen, hatte seinen Reiz schon lange verloren. Wir waren in einem gewissen Maß ein Volk von Siedlern geworden. Das ganze Volk war auf der Suche nach einer dauerhaften Zuflucht, nach einem Ort, wo der heilige Gesang und das heilige Spiel der Erinnerung auf die Dauer betrieben werden konnten.
    Wir glaubten uns den anderen Stämmen ungeheuer überlegen – aus verschiedenen Gründen, nicht zuletzt, weil wir viele bei uns hatten, die noch im verlorenen Land gelebt hatten, und viele auch mit weißem Haar. In mancher Hinsicht waren wir die am deutlichsten organisierte Gruppe, und wir hatten die größte Zahl von Gebräuchen. Einige von uns besaßen inzwischen Pferde und konnten darauf reiten. Unsere Karawane bestand aus vielen Wagen. Und wir hatten beträchtliche Viehbestände, Schaf- und Ziegenherden und eine Form von Wildrindern, die es nicht mehr gibt.
    Andere machten sich über uns lustig, vor allem weil wir auf Pferden ritten und nicht selten herunterfielen, aber im allgemeinen hatten die anderen Taltos Ehrfurcht vor uns, und in Notzeiten kamen sie zu uns gelaufen und baten um Hilfe.
    In der Ebene von Salisbury nun, die wir für alle Zeit in Besitz zu nehmen beschlossen, entschieden wir uns, den größten Steinkreis zu erbauen, den die Welt je gesehen hatte.
    Inzwischen wußten wir auch, daß schon das Errichten des Kreises den Stamm einte, die Leute organisierte und sie daran hinderte, Dummheiten zu machen, und das Tanzen wurde immer fröhlicher, während Stein um Stein hinzugefügt wurde und der Kreis sich zu einem immer eindrucksvolleren Anblick entwickelte.
    Dieses große Unternehmen, der Bau des größten Steinkreises der Welt, prägte mehrere Jahrhunderte unseres Daseins und brachte uns, was Erfindungsreichtum und Organisationsgeschick betraf, zusehends voran. Die Suche nach den Sandsteinblöcken – Druidensteine nennt man sie heute -, die Methoden, mit denen wir sie transportierten, bearbeiteten und aufrichteten, und die Technik, mit der wir schließlich die waagerechten Decksteine an Ort und Stelle brachten, das alles verzehrte uns und wurde zum Sinn des Lebens an sich.
    Die Lust an Spaß und Spiel war uns fast vergangen. Wir waren die

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