Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
nie wieder erleben müssen. Die Neugeborenen waren allesamt tot. Sie hatten kaum ein paar Tage gelebt und waren erschlagen worden. Nur wenige Frauen waren uns geblieben, und einige von ihnen hatten in der Vergangenheit schon zu oft geboren.
    Am zweiten Abend nach dem Massaker kamen unsere Späher zurück und berichteten, daß unsere Befürchtungen wahr geworden waren: Die Fremden hatten im Wald ihr Lager aufgeschlagen und bauten sich feste Häuser; man redete sogar schon davon, daß ihre Dörfer überall im Süden aus dem Boden schössen.
    Wir mußten in den Norden.
    Wir mußten zurück in die verborgenen Täler des Hochlandes oder zu anderen Orten, die für diese grausamen Eindringlinge allzu unzugänglich wären. Es war eine lange Reise; sie dauerte den Rest des Winters, und in ihrem Verlauf wurden Geburt und Tod zu alltäglichen Vorgängen. Mehr als einmal wurden wir von kleinen Menschenbanden angegriffen, und mehr als einmal beobachteten wir heimlich ihre Siedlungen und erfuhren nach und nach, wie sie lebten.
    Mehr als einmal massakrierten wir auch Banden des Feindes. Zweimal überfielen wir Tieflandfestungen, um unsere Männer und Frauen zu retten, deren Gesang wir schon aus großer Entfernung hören konnten.
    Und als wir das Hochlandtal von Donnelaith entdeckten, war es Frühling. Der Schnee schmolz, die dichten Wälder waren wieder grün, der See war nicht mehr zugefroren, und bald hatten wir ein Versteck gefunden, das von der Außenwelt nur über einen gewundenen Fluß erreichbar war, dessen Lauf so verschlungen war, daß der See vom Meer aus nicht zu sehen war. Ja, die große Bucht, durch die ein Schiff vom Meer hereinkommt, sieht für das ahnungslose Auge aus wie eine Höhle.
    Wohlgemerkt, in späteren Zeiten wurde der See zu einem Hafen. Die Menschen arbeiteten lange daran, ihn zum Meer hin zu öffnen.
    Damals aber fanden wir uns endlich in einem sicheren Versteck.
    Wir hatten viele gerettete Taltos bei uns. Und was für Geschichten sie zu erzählen hatten! Die Menschen hatten das Wunder unserer Geburt entdeckt, und der Zauber hatte sie in seinen Bann geschlagen! Sie hatten Taltos-Männer und -Frauen erbarmungslos gefoltert, um sie dazu zu zwingen, und dann hatten sie vor Entzücken und kribbelnder Furcht gekreischt, wenn der neue Taltos erschienen war. Einige dieser Frauen hatten sie zu Tode gepeinigt. Aber viele von uns hatten Widerstand geleistet und sich geweigert, sich derart schänden zu lassen, und etliche Frauen hatten Mittel und Wege gefunden, sich das Leben zu nehmen. Viele waren getötet worden, weil sie sich gewehrt und jeden Menschen angegriffen hatten, der in ihre Nähe kam, und weil sie schließlich versucht hatten, zu fliehen.
    Als die Menschen entdeckten, daß die Neugeborenen sich unverzüglich selbst fortpflanzen konnten, zwangen sie auch sie dazu, und die Neugeborenen, verwirrt und verängstigt, wußten nichts weiter zu tun als zu gehorchen. Die Menschen kannten die Macht der Musik über den Taltos und wußten sie zu nutzen. Die Menschen hielten den Taltos für sentimental und feige; wie diese Worte damals lauteten, weiß ich nicht.
    Alles in allem wuchs ein tiefer Haß zwischen uns und den menschlichen Kriegern. Wir hielten sie natürlich für Tiere, die sprechen und Dinge herstellen konnten, absolut entsetzliche Kreaturen, Verirrungen der Natur, die womöglich das ganze schöne Leben vernichten würden. Und uns hielten sie für lustige und relativ harmlose Ungeheuer. Denn bald wurde klar, daß die ganze weite Welt mit Leuten von ihrer Größe oder noch kleineren gefüllt war, die lebten und sich vermehrten wie sie, und nicht mit Leuten wie uns.
    Bei unseren Überfällen hatten wir mancherlei Gegenstände in unseren Besitz gebracht, die diese Leute aus allen möglichen Weltgegenden zusammengetragen hatten. Die Sklaven erzählten von großen Königreichen, die mit Mauern umgeben waren, von Palästen in Ländern des Wüstensands und des Dschungels, von kriegerischen Stämmen und von riesigen Menschenmassen in Ansiedlungen, so groß, daß man es sich nicht vorstellen konnte. Und diese Ansiedlungen hatten Namen.
    Alle diese Völkerschaften, das wußten wir, vermehrten sich nach Art der Menschen. Alle hatten winzige, hilflose Kleinkinder. Alle zogen sie zu halbintelligenten Halbwilden auf. Alle waren aggressiv, liebten den Krieg, töteten gern. Für mich lag es auf der Hand, daß die Aggressivsten unter ihnen überlebt und im Lauf der Jahrhunderte alles ausgemerzt hatten, was nicht

Weitere Kostenlose Bücher