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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sein! Ich will überhaupt nichts haben, wenn du es nicht billigst.«
    Sie stützte sich auf die Ellbogen, und ihr rotes Haar bildete einen Schleier zwischen ihr und dem Eisentor zum Vordergarten. So fühlte sie sich ungestörter. »Komm schon, Rowan. Du weißt, was Mary Jane Mayfair gesagt hat. Komm. Mary Jane hat gesagt, du kannst uns hören. Schau, Rowan, wenn du willst, daß ich gehe, gib mir ein Zeichen. Du weißt schon, mach einfach irgendwie was Unheimliches. Dann bin ich sofort weg.«
    Rowan starrte die Ziegelmauer an. Sie starrte die wildwuchernde Hecke mit den kleinen braunen und orangegelben Blüten an. Vielleicht starrte sie auch nur die Ziegel an.
    Mona seufzte, eine ziemlich verwöhnte, quengelige Art eigentlich, sich zu äußern. Aber sie hatte alles versucht, mit Ausnahme eines Tobsuchtsanfalls. Vielleicht sollte den mal jemand liefern!
    Sie stand auf, ging zur Wand, riß zwei Zweige aus der Hecke und brachte sie Rowan, wie man einer Göttin ein Opfer darbringt, die unter einer Eiche sitzt und den Gebeten der Menschen lauscht.
    »Ich liebe dich, Rowan«, sagte sie. »Ich brauche dich.«
    Für einen Moment verschwamm ihr Blick. Das brennende Grün des Gartens schien sich zu einem riesigen Schleier zu falten. Ihr Kopf pochte ein bißchen, und sie spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog, und dann kam eine Befreiung, die schlimmer war als Weinen: ein trübes, schreckliches Akzepti e ren all des Furchtbaren, was geschehen war.
    Diese Frau war verwundet, womöglich unheilbar. Und sie, M o na, war die Erbin, die jetzt ein Kind bekommen konnte und in der Tat versuchen mußte, eines zu bekommen, damit das großartige Mayfair-Vermögen weitergegeben werden konnte. Diese Frau – was würde sie jetzt tun? Als Ärztin konnte sie nicht mehr arbeiten, das war fast sicher; nichts und niemand schien sie mehr zu kümmern.
    Und plötzlich fühlte Mona sich so unbeholfen und ungeliebt und ungewollt wie nur je in ihrem Leben. Sie sollte von hier verschwinden. Es war beschämend, daß sie so viele Tage an diesem Tisch gesessen und um Verzeihung dafür gebettelt hatte, daß sie einmal auf Michael scharf gewesen war, um Verzeihung dafür auch, daß sie jung und reich war und eines Tages Kinder bekommen konnte, daß sie noch lebte, während sowohl ihre Mutter, Alicia, als auch ihre Tante Gifford, zwei Frauen, die sie geliebt und gehaßt und gebraucht hatte, g e storben waren.
    Selbstsüchtig! Zum Teufel damit. »Ich habe das nicht gewollt, mit Michael«, sagte sie laut zu Rowan.
    Kein Veränderung. Rowans graue Augen blickten scharf, nicht träumerisch. Ihre Hände lagen im Schoß, ganz natürlich übe r einander. Der Trauring so schmal und karg, daß er ihre Hände aussehen ließ wie die einer Nonne.
    Mona wollte eine Hand ergreifen, aber sie wagte es nicht. Es war eine Sache, eine halbe Stunde lang zu reden, aber Rowan berühren, einen Kontakt erzwingen, das konnte sie nicht. Sie wagte nicht einmal, Rowans Hand zu heben und die Zweige hineinzulegen. Es war zu intim, solange sie schwieg.
    »Ich fasse dich nicht an, weißt du. Ich nehme deine Hand nicht, befühle sie nicht, versuche nicht, etwas aus ihr zu erfahren. Ich berühre dich nicht, ich küsse dich nicht, denn wenn ich an deiner Stelle wäre, ich glaube, mir wäre es ein Graus, wenn eine sommersprossige, rothaarige Göre einfach so daherkäme und das mit mir machte.«
    Rote Haare, Sommersprossen – was hatte das damit zu tun? Außer, daß sie sagen wollte: Jawohl, ich habe mit deinem Mann geschlafen, aber du bist die Geheimnisvolle, die Mächt i ge, die Frau, die er liebt und immer geliebt hat. Ich war nichts. Ich war nur ein kleines Mädchen, das ihn ins Bett gelockt hat. Und in jener Nacht nicht so gut achtgegeben hat, wie sie es hätte hin sollen. Überhaupt nicht, genaugenommen. Aber ke i ne Sorge, ich war nie das, was man eine feste Freundin ne n nen könnte. Er hat mich angesehen, wie er später diese Mary Jane angesehen hat. Geilheit, mehr war es nicht. Und meine Periode wird schon irgendwann kommen, wie sie immer kommt, und meine Ärztin wird mir wieder einen Vortrag halten.
    Mona legte die kleinen Zweige auf dem Tisch zusammen, n e ben die Porzellantasse, und ging davon.
    Sie schaute hinauf zu den Wolken, die über den Kaminen des Haupthauses dahinzogen, und zum erstenmal bemerkte sie, daß es ein schöner Tag war.
    Michael war in der Küche und preßte die Säfte – »braute die Tränke«, wie sie es inzwischen nannten: Papayasaft, Koko s nuß,

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