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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Welt.
    Michael schaute in den Saftbehälter. Vielleicht hatte er doch genug Verstand, um zu erkennen, daß das Zeug untrinkbar war. Aber nein, er nahm einen Löffel und fing an, es umzurühren.
    Sie folgte ihm hinaus auf die Steinplatten, am Pool entlang und durch das hintere Gartentor.
    Rowan saß noch immer so am Tisch, wie Mona sie verlassen hatte. Die Zweige lagen noch da, ein bißchen verstreut, als habe der Wind sie mit einem Finger berührt und dann liege n gelassen.
    Rowan runzelte ein wenig die Stirn, als wäge sie im Geiste etwas ab. Das war immer ein gutes Zeichen, dachte Mona, aber sie würde Michael nur Hoffnungen machen, wenn sie darüber redete. Rowan schien nicht zu merken, daß sie g e kommen waren.
    Michael beugte sich über sie und küßte sie auf die Wange. Dann stellte er das Glas auf den Tisch. Sie blieb unverändert, außer daß der Wind ein paar Haarsträhnen erfaßte. Michael nahm ihre rechte Hand und legte die Finger um das Glas.
    »Trink das, Honey«, sagte er in dem gleichen Ton, in dem er auch mit Mona gesprochen hatte, brüsk und warm. Honey, Honey, Honey – das bedeutete Mona, Rowan, Mary Jane, vielleicht überhaupt jedes weibliche Wesen.
    Würde »Honey« auch für dieses tote Ding passen, das da im Loch lag, begraben mit seinem Vater? Himmel, wenn sie doch bloß eines von ihnen zu Gesicht bekommen hätte, und wäre es nur für eine kostbare Sekunde gewesen! Yeah, und jede Mayfair, die ihn während seines kleinen Ausflugs zu Gesicht bekommen hatte, hatte mit dem Leben dafür bezahlen mü s sen. Nur Rowan nicht…
    Wow! Rowan hob das Glas hoch! Mona beobachtete sie mit furchtsamer Faszination, wie sie trank, ohne den Blick von den fernen Heckenblüten zu wenden. Sie schluckte mit natürlichem, langsamem Lidschlag, aber das war auch alles. Und das Stirnrunzeln blieb.
    Michael stand da und schaute ihr zu, die Hände in den Taschen, und dann tat er etwas Überraschendes. Er sprach mit Mona über sie, als könnte Rowan ihn nicht hören. Das war das erstemal.
    »Als der Arzt mit ihr sprach, als er ihr sagte, sie sollte sich den Tests unterziehen, da stand sie auf und ging davon. Wie j e mand auf einer Parkbank in einer Großstadt. Man hätte gla u ben können, jemand hätte sich zu dicht neben sie gesetzt. So eingesponnen war sie in ihre Welt, so allein.«
    Er nahm das Glas. Es sah widerlicher aus als vorher. Aber um die Wahrheit zu sagen, Rowan sah aus, als würde sie alles trinken, was er ihr gäbe.
    Ihr Gesicht war ausdruckslos.
    »Ich könnte sie natürlich ins Krankenhaus bringen, damit man die Tests machen kann. Vielleicht würde sie mitgehen. Sie hat auch sonst alles getan, was ich wollte.«
    »Warum tust du’s nicht?« fragte Mona.
    »Wenn sie morgens aufsteht, zieht sie ihr Nachthemd und ihren Bademantel an, darum. Ich habe ihr auch andere S a chen hingelegt. Sie rührt sie nicht an. Das ist ein Hinweis für mich. Sie will Nachthemd und Bademantel tragen. Sie will zu Hause sein.«
    Er war plötzlich wütend. Seine Wangen waren rot, und seine Lippen verzerrten sich auf eine Weise, die alles sagte.
    »Die Tests können ihr sowieso nicht helfen«, sagte er. »Die Tests würden nur uns etwas sagen. Dieser Saft hilft ihr.«
    Seine Stimme klang zusehends gepreßt. Er wurde immer w ü tender, während er Rowan anschaute. Er hörte auf zu reden.
    Plötzlich beugte er sich vor, stellte das Glas auf den Tisch und stützte sich mit beiden Händen auf. Er versuchte Rowan in die Augen zu schauen. Sein Gesicht war dicht vor ihrem, aber es zeigte keine Veränderung.
    »Rowan, bitte«, flüsterte er. »Komm zurück!«
    »Michael, nicht!«
    »Warum nicht, Mona? Rowan, ich brauche dich jetzt. Ich bra u che dich!« Er schlug hart mit beiden Händen auf den Tisch. Rowan zuckte zusammen, aber das war ihre einzige Reaktion. »Rowan!« schrie er. Er streckte die Hände nach ihr aus, als wolle er sie bei den Schultern packen und schütteln, aber er tat es nicht.
    Er griff das Glas, wandte sich ab und ging davon.
    Mona stand still da und wartete; sie war zu erschrocken, um etwas zu sagen. Aber es war wie alles, was er tat. Es war ein gutherziger Versuch gewesen. Aber es war auch rauh gew e sen und schrecklich anzusehen.
    Mona konnte sich noch nicht lösen. Langsam setzte sie sich in den Sessel, der am Tisch stand, Rowan gegenüber, auf de n selben Platz, den sie jeden Tag eingenommen hatte.
    Ganz langsam wurde Mona wieder ruhiger. Sie wußte nicht genau, warum sie blieb – vielleicht, weil es loyal zu

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